Studie vom Umweltbundesamt

CO2-neutrale Prozesswärmebereitstellung: Wie kann das funktionieren?

Zwei Drittel der Treibhausgas-Emissionen des Industriesektors lassen sich direkt auf die Erzeugung von Prozesswärme zurückführen. Die CO2-neutrale Bereitstellung dieser spielt daher eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaziele. Die Studie „CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung“ im Auftrag des Umweltbundesamtes (12/2023) zeigt, dass die Umstellung auf eine CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung bis 2045 technisch realisierbar ist und erklärt wie bzw. mit welchen Alternativen diese gelingen kann. Gleichzeitig hebt sie hervor, dass die Zeit drängt.  

Die Studie des Fraunhofer ISI und des Instituts für Industrieofenbau und Wärmetechnik (IOB) der RWTH Aachen adressiert den nötigen Umbau des Anlagenparks für die klimaneutrale Prozesswärmeerzeugung. Sie bildet dabei gleichzeitig eine ganze Palette branchenspezifischer Anwendungen ab, um einen systematischen Gesamteindruck über die technischen Möglichkeiten und Herausforderungen zu vermitteln.

Insgesamt wurde für 13 Branchen der Metall- und Mineralindustrie sowie der Dampferzeugung (als branchenübergreifende Technik) der aktuelle Stand der Technik sowie zukünftige Potenziale von CO2-neutralen Alternativtechniken unter Berücksichtigung von technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten untersucht. In Summe sind über 1.800 Anlagen in die Betrachtung eingeflossen. Schwerpunkte bei den möglichen Alternativtechniken zur Prozesswärmeerzeugung sind die Elektrifizierung von Anlagen und Prozessen und der Einsatz von Wasserstoff unter der Prämisse, dass diese Energieträger in ausreichender Menge und CO2-neutral zur Verfügung stehen.

Anzahl Anlagen und Energieverbrauch je Branche im Betrachtungsrahmen der Studie. Quelle: Umweltbundesamt; Fraunhofer ISI

 

Elektrifizierung und Wasserstoff anstelle fossiler Energieträger

Grundsätzlich entscheidet sich die Antwort auf die Frage: „Elektrifizierung oder grüner Wasserstoff für die klimaneutrale Prozesswärmeerzeugung?“ je nach Branche und Prozess bzw. Verfahren. Technisch betrachtet ist jedoch eine erste Verallgemeinerung möglich: So kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass dort, wo hohe Prozesstemperaturen und Energiedichten erforderlich und elektrische Alternativen (noch) nicht oder nur mit geringem Technologiereifegrad vorhanden sind, der Einsatz von Wasserstoff vorteilhaft ist. Für Anlagen und Prozesse mit vergleichsweise geringeren Temperaturen und Energiedichten, bei denen ggfs. höhere Effizienzgewinne zu erwarten sind, sei hingegen die Elektrifizierung vielversprechend.

Entscheidend für die erneuerbare Prozesswärmebereitstellung ist neben prozessspezifischen Anforderungen auch der Standort. So sind laut Studie zum Beispiel die vorhandene oder geplante maximale elektrische Anschlussleistung an das öffentliche Stromnetz als auch eine mögliche Nähe zur geplanten Wasserstoffinfrastruktur von Bedeutung. Daher ist in jedem Fall eine individuelle Betrachtung des jeweiligen Prozesses unter Berücksichtigung der spezifischen Prozessanforderungen sowie der Rahmenbedingungen (Standort, Umrüstung oder Neubau von Anlagen) durchzuführen. Allgemein gilt entsprechend der Effizienz(-gewinne) und Kosten abzuwägen, welche Technologie(-kombination) sinnvollerweise zum Einsatz kommen sollte.

Dort, wo eine Elektrifizierung nicht oder nur schwer möglich ist, könnte grüner Wasserstoff zur Dekarbonisierung beitragen. Bildquelle: Salzgitter AG


Hybride und flexible Systeme: Der Schlüssel zur Transformation?

Hybride und flexible Techniken zur Prozesswärmeerzeugung können laut der Studie Mittel für die Transformation sein und weisen verschiedene Vorteile gegenüber monovalenten Systemen auf. Hybride Systeme mindern demnach Investitionsrisiken und erhöhen die Stabilität der Industrieproduktion gegenüber möglichen Knappheiten oder volatilen Energiepreisen, indem sie Unternehmen ermöglichen, zwischen mehreren Energieträgern zu wechseln. Außerdem können hybride Systeme, die einen zeitlich flexiblen Betrieb ermöglichen, dazu beitragen, Erneuerbare Energien effizient zu integrieren. So können hybride Anlagentechniken flexibel stärker in Richtung einer Elektrifizierung oder eben auch des Wasserstoffeinsatzes entwickelt werden. Solche Systeme weisen zum Beispiel in der Dampferzeugung hohe Potenziale auf, da entsprechende Technologien wie etwa elektrisch beheizte Dampfkessel bereits am Mark verfügbar sind.

Forschung, Entwicklung und Demonstrationsvorhaben erforderlich

Wenngleich CO2-neutrale Alternativen für alle Anwendungen verfügbar sind oder sich in der Entwicklung befinden, unterscheiden sich die Optionen, Herausforderungen und Technologiereifegrade (Technology Readiness Level = TRL) stark zwischen Branchen und Prozessen. Wie die folgende Abbildung zeigt, sind beispielsweise die Dampferzeugung mittels Großwärmepumpen oder elektrisch betriebene Dampfkessel in der Papier- und Nahrungsmittelindustrie im industriellen Maßstab am Markt verfügbar (TLR 9). In anderen Bereichen hingegen ist weitere Forschung und Entwicklung erforderlich, wie die Wissenschaftler betonen (siehe Grafik aus der Studie)

Wie kann Prozesswärme in Zukunft klimafreundlich bereitgestellt werden?

Fazit:

Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass eine CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung bis 2045 technisch realisierbar ist, derzeit jedoch noch einige Hemmnisse bestehen. Viele Anlagen haben lange Modernisierungs-/Lebenszyklen und werden entsprechend lange von den Betrieben genutzt. Hinzukommt, dass Alternativtechniken teils noch nicht wirtschaftlich oder Verfügbarkeiten z.B. von grünem Strom oder Wasserstoff am Unternehmensstandort unsicher sind.  

Um die Umstellung auf eine CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung zu fördern, sollte der regulatorische Rahmen daher zielgerichtet angepasst werden. Hierfür benennt die Studie verschiedene Instrumente, wie etwa einen höheren CO2-Preis oder eine Reform der Netzentgelte. Auch eine verstärkte Förderung von Forschung, technologischer Entwicklung und der Markteinführung von Demonstrationsanlagen wird als hilfreich erachtet. Eine entsprechende Transformationspolitik kann laut Autoren dabei helfen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu sichern und Planungssicherheit für Unternehmen zu schaffen.  

 

Weitere Informationen

➤ Zur Studie „CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung“

   ➥ Tool zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit und der Diffusion CO2-neutraler Techniken

   ➥ Kurzdokumentation zum Tool

   ➥  Mehr zur Studie in den Vortragsfolien von Herrn Dr. Schwotzer (RWTH Aachen)

➤ Mehr zum Thema industrielle Prozesswärme und ihrer Bedeutung erfahren auf unserer Themenseite Prozesswärme

➤ Eine ergänzende Studie des Fraunhofer ISI als Policy Brief „CO2-neutrale Prozesswärme durch Elektrifizierung und Einsatz von Wasserstoff“

 

Kontakt

Neele Birnbaum

0511 89 70 39-19
neele.birnbaum [at] klimaschutz-niedersachsen.de

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