Stoffliche Nutzung hat Vorrang!
Das wichtigste Leitprinzip der neuen Biomassestrategie ist laut Eckpunktepapier die konsequente Kaskaden- und Mehrfachnutzung von Biomasse. Die stoffliche Nutzung ist demnach, wo immer dies technisch und wirtschaftlich möglich ist, Vorrang zu geben, da diese eine möglichst langfristige Kohlenstoffbindung ermöglicht (Priorisierung der stofflichen Nutzung). Die stoffliche Nutzung erlaubt zudem eine Kreislaufführung von biogenen Stoffen und damit des darin enthaltenen Kohlenstoffs (Vorrang der Mehrfachnutzung). Die energetische Nutzung steht am Ende der Nutzungskaskade und soll sich auf die bei einer Kaskaden- oder Mehrfachnutzung anfallenden Abfall- und Reststoffe konzentrieren (Vorrang der Nutzung des Biomasseanteils an biogenen Abfallstoffen).
Darüber hinaus soll die Strategie eine klare Positionierung u.a. zur Abwägung zwischen Biomassenutzung und Elektrifizierung bzw. alternativen Technologien vornehmen: Biomasse soll vor allem dann eingesetzt werden, wenn keine technischen Alternativen zur Verfügung stehen – also bspw. in Hochtemperaturprozessen und nicht anders dekarbonisierbaren Teilbereichen der Industrie bzw. zur Abdeckung von Lastspitzen im Rahmen der Wärmebereitstellung in nur schwer sanierbaren, z.B. denkmalgeschützten, Gebäuden.
Zusammenfassung/Fazit:
Biomasse ist begrenzt verfügbar und wird daher auch für die Wärmewende im Gebäudebereich nur begrenzt zur Verfügung stehen. Die priorisierte stoffliche Nutzung von Biomasse gegenüber einer energetischen Nutzung wird diese Knappheit nochmals zuspitzen, ebenso wie der Einsatz von Biomasse in der Industrie. Dies gilt es in der kommunalen Wärmeplanung zu berücksichtigen.
Hintergrund-Informationen
Die aktuelle und zukünftige Biomassepotenziale von Rest- und Abfallstoffen wurden in weiteren Studien bereits abgeschätzt, bspw. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) (2015): Biomassepotenziale von Rest- und Abfallstoffen - Status quo in Deutschland, Umweltbundesamt (UBA) (2018): BioRest: Verfügbarkeit und Nutzungsoptionen biogener Abfall- und Reststoffe im Energiesystem (Strom-, Wärme- und Verkehrssektor), Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ)(2019): Technoökonomische Analyse und Transformationspfade des energetischen Biomassepotentials (TATBIO).
Die drei Studien beziffern das aktuell energetisch nutzbare technische Biomassepotenzial der ausgewählten biogenen Reststoffe, Abfälle und Nebenprodukte mit 920 bis 1.026 PJ-Primärenergie. Bei der Betrachtung des zukünftigen Biomassepotenzials für das Jahr 2050 gibt das DBFZ eine Bandbreite von ca. 660-1.340 PJ und das UBA rd. 900 PJ Primärenergie. Demgegenüber steht eine Primärenergiebedarf i.H.v. ca. 6.500 PJ anno 2045. Der Beitrag der Biomasse zum Endenergiebedarf 2045 liegt demnach in etwa bei 10 bis 20%. Diese Zahlen verdeutlichen, dass bereits heute davon ausgegangen wird, dass das Biomassepotenzial in den kommenden Jahren nicht zunehmen wird. Ein hoher Anteil dieses Potenzials wird aktuell bereits genutzt, ungenutztes technisches Potenzial kann jedoch noch erschlossen werden. Die Priorisierung der stofflichen Nutzung wird zudem die künftige energetische Nutzung von Biomasse einschränken, so dass eine weitere Ausweitung dieser Nutzungsform schwer möglich scheint. Darüber hinaus sind die CO2-Emissionen bei der energetischen Nutzung von Holz aus nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft nicht zu unterschätzen, wie ein Paper von Scientists 4 Future aufzeigt.
Einig sind sich alle: Biomasse wird im künftigen Energiesystem eine Rolle spielen, der Einsatz wird jedoch begrenzt sein. Die Entwicklung der strategischen Leitlinien für die nationale Biomassestrategien soll auf einer quantitativen und qualitativen Bestandsaufnahme der Biomasseerzeugung und -nutzung basieren. Diese wird im kommenden Jahr erwartet, wenn der Dialog zur Erarbeitung der Strategie abgeschlossen ist.