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Die Biomasse ist ein gefragter Energieträger – sei es im Verkehrssektor, zur Strom- oder auch zur Wärmeversorgung. Der hohen Nachfrage steht jedoch eine begrenzte Verfügbarkeit dieser Ressource gegenüber. Vor diesem Hintergrund entwirft die Bundesregierung derzeit eine Biomassestrategie für die zukünftige Nutzung von Biomasse, damit ihre Verwendung mit den Klimaschutzzielen Deutschlands vereinbar bleibt. Ein Eckpunktepapier zur neuen Strategie wurde zuletzt veröffentlicht, welches wir nun näher analysiert haben.
Veröffentlicht am: 01. November 2022Rolle der Biomasse – Ein Überblick
Biomasse aus der Forst-, Landwirt- und Abfallwirtschaft wird schon heute sektorübergreifend genutzt. Wichtige Einsatzbereiche der stofflichen Nutzung sind die Lebens- und Futtermittelindustrie sowie die Baubranche und Möbelindustrie. Aber auch bei der Energieversorgung spielt die Biomasse eine wesentliche Rolle. So deckte Biomasse in Deutschland laut UBA im Jahr 2021 knapp 9% des gesamten Bruttostromverbrauchs. Zudem trugen Biokraftstoffe rund 6% des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor bei. Aber vor allem in der Wärmewende spielt Biomasse bislang eine herausragende Rolle unter den grünen Wärmeenergieträgern: Während grüne Wärme insgesamt einen Anteil von rund 16,5% an den eingesetzten Wärmeenergieträgern hat, macht die Biomasse hieran allein 14%-Punkte aus.
Wichtig ist dabei: Biomasse ist nur begrenzt verfügbar! Das gilt es auch in der kommunalen Wärmeplanung zu berücksichtigen. Preissteigerungen als Folge des Ukraine-Kriegs und des einhergehenden "Ausweichens" vieler Endkunden auf Holz als Energieträger verdeutlichen diese Knappheit für viele Endkunden bereits heute. Mit Blick auf die Zukunft stellt sich daher die Frage, wie die stoffliche und energetische Nutzung von Biomasse in einem zukünftigen Energiesystem aussehen kann. Antworten soll eine nationale Biomassestrategie liefern, die derzeit vom Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium, Bundeslandwirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium erarbeitet wird.
Holz als Energieträger - hohe Nachfrage nach begrenzter Ressource © shutterstock_2110187732
Strategie für nachhaltige Biomasseerzeugung und -nutzung
Derzeit existieren keine übergeordneten Steuerungsmechanismen für die Nutzung von Biomasse in verschiedenen Sektoren. In einem Eckpunktepapier zu der geplanten nationalen Biomassestrategie heißt es daher: „Die Notwendigkeit einer Biomassestrategie erwächst aus dem Ungleichgewicht zwischen einer hohen und rasant wachsenden Nachfrage nach pflanzlichen und tierischen Rohstoffen und einem begrenzten Aufkommen an biogenen Abfall- und Reststoffen sowie einer begrenzten Flächenverfügbarkeit für die nachhaltige Erzeugung von nachwachsenden Rohstoffen." Folgerichtig soll die Biomassestrategie darauf abzielen, in Deutschland eine nachhaltige Biomasseerzeugung und -nutzung sicherzustellen.
Ferner wird in dem Eckpunktepapier darauf hingewiesen, dass „die aktuelle Biomassenutzung (...) häufig in Konkurrenz zu der im Bundes-Klimaschutzgesetz verankerten Stärkung der Klimaschutzleistung natürlicher Ökosysteme, zu Zielen des Umweltschutzes, der notwendigen agrar-ökologischen Wende sowie der Nahrungsmittelerzeugung" steht. Daher muss sich die Biomassestrategie zudem konsequent an den Klima-, Umwelt- und Biodiversitäts-Zielen orientieren. Im Zentrum der Biomassestrategie steht daher die Entwicklung von Leitprinzipien für den nachhaltigen Umgang mit Biomasse.
Stoffliche Nutzung hat Vorrang!
Das wichtigste Leitprinzip der neuen Biomassestrategie ist laut Eckpunktepapier die konsequente Kaskaden- und Mehrfachnutzung von Biomasse. Die stoffliche Nutzung ist demnach, wo immer dies technisch und wirtschaftlich möglich ist, Vorrang zu geben, da diese eine möglichst langfristige Kohlenstoffbindung ermöglicht (Priorisierung der stofflichen Nutzung). Die stoffliche Nutzung erlaubt zudem eine Kreislaufführung von biogenen Stoffen und damit des darin enthaltenen Kohlenstoffs (Vorrang der Mehrfachnutzung). Die energetische Nutzung steht am Ende der Nutzungskaskade und soll sich auf die bei einer Kaskaden- oder Mehrfachnutzung anfallenden Abfall- und Reststoffe konzentrieren (Vorrang der Nutzung des Biomasseanteils an biogenen Abfallstoffen).
Darüber hinaus soll die Strategie eine klare Positionierung u.a. zur Abwägung zwischen Biomassenutzung und Elektrifizierung bzw. alternativen Technologien vornehmen: Biomasse soll vor allem dann eingesetzt werden, wenn keine technischen Alternativen zur Verfügung stehen – also bspw. in Hochtemperaturprozessen und nicht anders dekarbonisierbaren Teilbereichen der Industrie bzw. zur Abdeckung von Lastspitzen im Rahmen der Wärmebereitstellung in nur schwer sanierbaren, z.B. denkmalgeschützten, Gebäuden.
Zusammenfassung/Fazit:
Biomasse ist begrenzt verfügbar und wird daher auch für die Wärmewende im Gebäudebereich nur begrenzt zur Verfügung stehen. Die priorisierte stoffliche Nutzung von Biomasse gegenüber einer energetischen Nutzung wird diese Knappheit nochmals zuspitzen, ebenso wie der Einsatz von Biomasse in der Industrie. Dies gilt es in der kommunalen Wärmeplanung zu berücksichtigen.
Hintergrund-Informationen
Die aktuelle und zukünftige Biomassepotenziale von Rest- und Abfallstoffen wurden in weiteren Studien bereits abgeschätzt, bspw. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) (2015): Biomassepotenziale von Rest- und Abfallstoffen - Status quo in Deutschland, Umweltbundesamt (UBA) (2018): BioRest: Verfügbarkeit und Nutzungsoptionen biogener Abfall- und Reststoffe im Energiesystem (Strom-, Wärme- und Verkehrssektor), Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ)(2019): Technoökonomische Analyse und Transformationspfade des energetischen Biomassepotentials (TATBIO).
Die drei Studien beziffern das aktuell energetisch nutzbare technische Biomassepotenzial der ausgewählten biogenen Reststoffe, Abfälle und Nebenprodukte mit 920 bis 1.026 PJ-Primärenergie. Bei der Betrachtung des zukünftigen Biomassepotenzials für das Jahr 2050 gibt das DBFZ eine Bandbreite von ca. 660-1.340 PJ und das UBA rd. 900 PJ Primärenergie. Demgegenüber steht eine Primärenergiebedarf i.H.v. ca. 6.500 PJ anno 2045. Der Beitrag der Biomasse zum Endenergiebedarf 2045 liegt demnach in etwa bei 10 bis 20%. Diese Zahlen verdeutlichen, dass bereits heute davon ausgegangen wird, dass das Biomassepotenzial in den kommenden Jahren nicht zunehmen wird. Ein hoher Anteil dieses Potenzials wird aktuell bereits genutzt, ungenutztes technisches Potenzial kann jedoch noch erschlossen werden. Die Priorisierung der stofflichen Nutzung wird zudem die künftige energetische Nutzung von Biomasse einschränken, so dass eine weitere Ausweitung dieser Nutzungsform schwer möglich scheint. Darüber hinaus sind die CO2-Emissionen bei der energetischen Nutzung von Holz aus nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft nicht zu unterschätzen, wie ein Paper von Scientists 4 Future aufzeigt.
Einig sind sich alle: Biomasse wird im künftigen Energiesystem eine Rolle spielen, der Einsatz wird jedoch begrenzt sein. Die Entwicklung der strategischen Leitlinien für die nationale Biomassestrategien soll auf einer quantitativen und qualitativen Bestandsaufnahme der Biomasseerzeugung und -nutzung basieren. Diese wird im kommenden Jahr erwartet, wenn der Dialog zur Erarbeitung der Strategie abgeschlossen ist.
Dr. Georg K. Schuchardt
0511 89 70 39-26
georgkonrad.schuchardt [at] klimaschutz-niedersachsen.de