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Welche Potenziale bieten Großwärmepumpen für die Umsetzung der Wärmewende? Dieser Frage widmete sich am 08. Oktober eine Info-Veranstaltung in Hannover. Die vielfältigen Beispiele aus der Praxis machten dabei deutlich, dass es zahlreiche technologische Möglichkeiten gibt, ganze Quartiere mittels Großwärmepumpen mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen. Gleichzeitig machten die Beiträge jedoch deutlich, dass es entsprechende Rahmenbedingungen braucht, um Projekte voranzutreiben.
Veröffentlicht am: 16. Oktober 2024Großwärmepumpen können Umweltwärme (z.B. aus Gewässern oder dem Erdreich) dazu nutzen, ganze Quartiere mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen. Die wichtige Bedeutung von Großwärmepumpen für die Wärmewende betonte daher in seinem einführenden Impulsvortrag auch der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer während der Veranstaltung „Großwärmepumpen für Wärmenetze“ (zum Videomitschnitt).
Zur erfolgreichen Einbindung von Großwärmepumpen müssten laut Meyer jedoch einige Voraussetzungen gegeben sein. So müsse der Strompreis weiter günstiger werden – als potenziellen Hebel hierfür machte er die Netzentgelte aus. Gleichzeitig betonte Meyer die Bedeutung der kommunalen Wärmeplanung, um im Rahmen der Wärmewende Planungssicherheit für alle Akteure zu schaffen. Mit der vom Umweltministerium beauftragten und von der KEAN umgesetzten "Wärmebedarfskarte für Niedersachsen" unterstützt das Land die Kommunen bei der Umsetzung.
Anschließend ging Meyer auf die zahlreichen vielversprechenden Projekte ein, die derzeit im Kontext von Großwärmepumpen deutschlandweit entstehen. Gerade die Gewinnung von Umweltwärme aus Gewässern sei eine spannende Option, um Synergien in den Bereichen Energie, Wasser und Wärme zu nutzen. So könnten z.B. die durch den Klimawandel erwärmten Gewässer durch die Entnahme von Wärme durch Großwärmepumpen gekühlt werden.
Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer in seinem Impulsvortrag. Bildquelle: KEAN (Bild zum Download)
Alle Akteure mitnehmen
Dr. Sven Barnekow (BDEW) machte in seinem Impuls die zentrale Bedeutung der Versorgungswirtschaft für die Umsetzung der Wärmewende deutlich. So spielten Versorger in den verschiedenen Stadien der Transformation eine wichtige Rolle – von der Daten- und Szenarien-Analyse bis zum praktischen Umbau der Wärmeinfrastruktur. Gleichzeitig machte er deutlich, dass die Wärmewende eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist; auch hinsichtlich der Finanzierung, die auf mehrere Säulen verteilt werden müsse (zu den Vortragsfolien).
Auch Matthias Timm vom Versorger enercity betonte in seinem Impuls die Bedeutung, alle relevanten Akteure wie die Wohnungswirtschaft, Handwerker – und natürlich die Verbraucherinnen und Verbraucher – mitzunehmen. Herr Timm empfahl Kommunen daher auch, die Bevölkerung vor Ort bereits ab der Bestandsanalyse der Wärmeplanung einzubeziehen, um die Verunsicherung zu verringern. Durch eine offene und klare Kommunikation ließen sich auch Fehlinformationen vermeiden: In vielen Diskussionen würden Gebiete, die nicht an ein Wärmenetz angeschlossen werden, als „Verlierer-Gebiete“ gelten, da man auf dezentrale Lösungen wie die Wärmepumpe angewiesen ist. Vielmehr ist eben diese dezentrale Lösung für die Eigentümerinnen und Eigentümer in diesen Gebieten die kostengünstigste und damit sinnvollste Lösung (zum Videomitschnitt).
In der anschließenden Diskussionsrunde gingen Minister Meyer, Dr. Barnekow und Herr Timm näher auf eine zentrale Voraussetzung für die Wärmewende ein: Die Fachkräfte. Dabei gehe es aber nicht nur um Planer:innen und Ingenieur:innen, sondern insbesondere um Fachkräfte, welche die Wärmenetze in den Boden bringen und Wärmepumpen installieren und warten. Außerdem machten die Beteiligten deutlich, dass Stromnetze immer stärker zu Wärmenetzen werden - ohne einen Ausbau der Stromnetze ließen sich große wie kleine Wärmepumpen nicht betreiben.
Die Diskussionsrunde mit Dr. Sven Barnekow, Minister Meyer und Matthias Timm, befragt von den Moderator:innen der Veranstaltung Dr. Georg Schuchardt (KEAN, links) und Bianca Lim (ISFH, rechts). Bildquelle: KEAN (Bild zum Download)
...und rege Beteiligung der Teilnehmer:innen. Bildquelle: KEAN (Bild zum Download)
Blick in die Praxis
Anschließend wurde ein stärkerer Blick auf die Praxis gelegt. So betonte Fabian Ahrendts vom Fraunhofer IEG die zahlreichen Möglichkeiten zur Erschließung von Quellwärme für Großwärmepumpen – sei es die Geothermie oder die Nutzung von Oberflächengewässern (zu den Vortragsfolien / zum Videomitschnitt). Darüber hinaus machte Herr Ahrendts auf die große Bedeutung von thermischen Speichern aufmerksam: Mit diesen Speichern können Großwärmepumpen Wärme in Zeiten hoher erneuerbarer Erzeugung produzieren, die dann in thermischen Speichern zwischengespeichert wird.
Das Interesse an den Praxis-Projekten war auch in den Pausen groß. Bildquelle: KEAN (Bild zum Download)
Dr. André Deinhardt (Geothermie Neubrandenburg | Vortragsfolien/ zum Videomittschnitt) und Markus Sommer (Sommer Consulting | Vortragsfolien) gaben in ihren Beiträgen jeweils hilfreiche Hinweise zur Umsetzung von Geothermie-Projekten. So betonte Herr Dr. Deinhardt die Bedeutung von Daten, die im Vorfeld eines Projektes gesammelt werden sollten. Es müssten zunächst die lokalen Gegebenheiten geprüft werden, bevor konkrete Planungen vorangetrieben werden. Niedersächsischen Kommunen empfahl er, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie anzusprechen, die zahlreiche geologische Daten besitzen, z.B. zu Bodentemperaturen, vorhandenem Wasservolumen usw.
In Hannover soll die Wärme der Leine genutzt werden
Detaillierter stellte anschließend Thomas Briddigkeit von enercity Contracting ein Projekt aus Hannover vor (zu den Vortragsfolien | zum Video-Mitschnitt). In Hannover will enercity eine Großwärmepumpe (mit 60 MW thermischer Leistung) am Standort eines ehemaligen Heizkraftwerks errichten, um ein Wärmenetz mit Umweltwärme aus der Leine zu versorgen.
Der Vortrag machte auch ein potenzielles Hemmnis für ähnliche Projekte deutlich: enercity hat den großen Vorteil, in dem Projekt auf einen bereits vorhandenen Anschluss an die Leine zurückzugreifen – es sind also keine großen Leitungen mehr nötig und auch die Genehmigungen zur Entnahme und Wieder-Einführung des Leine-Wassers sind vorhanden. Um bei neuen Projekten schnell in die Umsetzung zu kommen, brauche es unkomplizierte Genehmigungsverfahren der entsprechenden Behörden, um lange Wartezeiten zu vermeiden.
Stefan Ropers von MAN Energy-Solutions zeigte anschließend, dass Großwärmepumpen auch Wärme aus Meeren nutzen können (zu den Vortragsfolien/zum Videomitschnitt). So standen zwei dänische Großwärmepumpen-Projekte in Esbjerg und Aalborg im Fokus. Beide Großwärmepumpen haben eine Leistung von 60 Megawatt thermischer Energie – und ersetzen damit vorhandene Kohleanlagen in direkter Nähe, die mittlerweile stillgelegt wurden. Herr Ropers betonte dabei abermals: „An der Technik scheitert es nicht.“ Darüber hinaus machte er auf eine weitere interessante Nutzungsmöglichkeit von Großwärmepumpen aufmerksam. So können Großwärmepumpen innerhalb von 30 Sekunden hochfahren und somit als Frequenzreserve im Energiesystem dienen – mit entsprechender Entlohnung.
Mit Großwärmepumpen kann die Wärme von Gewässern für die Wärmewende genutzt werden. Bildquelle: Fotolia_136115580
Genossenschaftliche Finanzierung von Wärmenetzen
Wie die Umsetzung und Finanzierung von Wärmenetzen ganz praktisch und auch im kleineren Maßstab umgesetzt werden können, machte anschließend Annika Wehber deutlich (zu den Vortragsfolien/zum Videomitschnitt). Die Bürgerin aus der Gemeinde Holtebüttel, berichtete von den Plänen zu einem genossenschaftlich betriebenem Wärmenetz mit 1,5 Megawatt Luft / Wasser-Großwärmepumpe. Auch Frau Wehber betonte die Bedeutung einer frühzeitigen und transparenten Kommunikation: Durch das gemeinsame Vorgehen in Holtebüttel und Dahlbrügge konnten ca. 60% der Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Dörfer überzeugt werden, ihre Absicht zu Versorgung durch das Netz zu bekunden.
Bei der Vorstellung der Projekte gab es viele Fragen - und praktische Antworten. Bildquelle: KEAN (Bild zum Download)
Prof. Klaus Vajen von der Uni Kassel ging in seinem abschließenden Vortrag auf das Dorf Bracht bei Marburg ein, in dem eine Solarthermieanlage mit einem 26.000 Kubikmeter Erdbeckenspeicher ein ganzes Dorf beheizen soll. Die Kosten seien ähnlich wie bei einer individuellen Sanierung mit Umrüstung auf eine Wärmepumpe – die Umsetzung aber deutlich schneller (zu den Vortragsfolien/zum Videomitschnitt).
Fazit:
Die Veranstaltung machte deutlich, dass es zahlreiche technische Möglichkeiten gibt, klimafreundliche Wärme mittels Großwärmepumpen für Netze aufzubereiten – und hiermit ganze Quartiere zu versorgen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass es einige Rahmenbedingungen gibt, damit Projekte auch umgesetzt werden: Neben den infrastrukturellen Voraussetzungen sind hier insbesondere die nötigen Fachkräfte, schnelle Genehmigungsverfahren und eine faire Beteiligung aller Akteure zu nennen.
Veranstalter:
Wärmepumpen-Initiative Niedersachsen
Zur Wärmepumpen-Initiative (WIN): Die WIN ist eine Initiative des Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN), des Instituts für Solarenergieforschung in Hameln (ISFH), der Leibniz Universität Hannover und der KEAN. Sie will den Austausch und die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis verbessern. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, neue Erkenntnisse zu gewinnen und Fachwissen zu verbreiten.
Gemeinsam mit:
In Kooperation mit:
Dr. Georg K. Schuchardt
0511 89 70 39-26
georgkonrad.schuchardt [at] klimaschutz-niedersachsen.de