- Arbeitsfelder
- Themen
- Energieberatung
- Förderprogramme
- Gesetze + Normen
- Aus der Praxis
- Aktuelles
- Veranstaltungen
- Über uns
Die Wärmepumpe ist eine Schlüsseltechnologie für die Wärmewende. In Einfamilienhäusern ist sie bereits sehr verbreitet, in Mehrfamilienhäusern bildet sie noch eher die Ausnahme. Zwei Beispiele aus der Praxis zeigen eindrücklich, dass eine Umsetzung sehr gut funktioniert. Wir unterhielten uns mit Reno Schütt, Geschäftsführer der GEWO-Nordhorn und Jörg Siehlmann, Vorstand der Wohnungsbaugesellschaft Osnabrück eG.
Veröffentlicht am: 05. Juni 2024Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihr Unternehmen im Kontext der Wärmewende in den kommenden Jahren?
Schütt: Die Refinanzierung und Umsetzungsgeschwindigkeit werden extrem fordernde Elemente. Und da die Miete unsere einzige Refinanzierungsquelle ist, trifft es unmittelbar das Nutzerportemonaie. Eine überaus begrenzende Quelle. In der Vergangenheit gelang es, mieterhöhende Modernisierungskosten durch eingesparte Energiekosten zu kompensieren oder sogar zu überkompensieren. Mit der Wärmepumpe wird die Mieterkasse trotz erheblicher Einsparungspotentiale unmittelbar stärker belastet.
Der bisher gern praktizierte Weg von Quersubventionen, also auf einen Teil des Mieterhöhungspotentials zu verzichten, verschließt sich, da jedes Gebäude Gegenstand unseres Reformationswillens sein wird. Damit einhergehend gewinnen auch die rechtlichen Mietanpassungsmöglichkeiten an Bedeutung. Denn hier sind, bezogen auf die Wärmepumpe, maximal 0,50 €/m²/Monat möglich. Nach unserer Erfahrung übersteigen bei monovalent betriebenen Anlagen die Kosten diesen Wert jedoch deutlich.
Siehlmann: Wir verfügen über einen Bestand mit ca. 3.000 Wohnungen und haben, bezogen auf die Wärmewende, „leider“ einen teils sehr kleinteiligen Bestand – also Häuser mit wenigen Wohneinheiten im direkten innerstädtischen Bereich mit vollständig geschlossener Bauweise. Nach ersten Untersuchungen sehen wir bei vielen dieser Gebäude keine oder nur eine sehr geringe Chance, sie mit Wärmepumpen zu ertüchtigen. Zum einen fehlt schlicht der Platz für außenaufgestellte Anlagen und zum anderen werden rechnerisch die Grenzen der maximal zulässigen Schallemissionen überschritten. Somit werden wir nach aktuellem Stand auf die Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung warten müssen. Diese sehen wir allerdings sehr skeptisch.
Worauf basiert diese Skepsis?
Siehlmann: Aktuell verfügt Osnabrück nur über eine Trassenlänge im einstelligen Kilometer-Bereich und zum anderen verfügen wir hier auch nur über rudimentär nutzbare Industrieabwärme. Nach ersten Gesprächen mit der Stadt und dem regionalen Netzbetreiber ist man sich dieser Lage in Teilen bewusst und untersucht aktuell alle möglichen „anzapfbaren“ Wärmequellen wie Deponiegase, Kläranlagen und Geothermie. Nach meiner Einschätzung wird sicher ein (geringer) Teil der Wärmeversorgung zukünftig so abgedeckt werden können. Unrealistisch ist damit aber eine halbwegs ausreichende Wärmeversorgung bis zum Jahr 2045, bzw. Niedersachsens Sonderweg – 2040.
Wie könnte also der Rest Ihres Gebäudebestandes mit klimafreundlicher Wärme versorgt werden?
Siehlmann: Größere Wohnanlagen statten wir bereits mit Wärmepumpenanlagen in Kombination mit PV-Anlagen aus und haben erste gute Erfahrungen gemacht, auch bei teilweise nicht vollständig energetisch modernisierten Objekten. Allerdings stellen wir auch fest, dass die Konzeption dieser Anlagen nicht nur sehr individuell ist, sondern auch viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Kosten sind ebenfalls entsprechend hoch. Ein entsprechender „kickback“ über die Modernisierungserhöhung ist – wie von Herrn Schütt bereits angesprochen – nahezu nicht gegeben. Für die Zukunft bleibt also abzuwarten, wie sich die Preise für Wärmepumpen entwickeln, ob es weitere Zugeständnisse der Regierung für Mietanpassungen geben wird und ob „wenigstens“ die Förderkulisse für Wohnungsunternehmen mit denen für Eigenheimbesitzer gleichgestellt wird.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, um hier Abhilfe zu schaffen? Welche Aufgaben haben Sie für sich und Ihr Unternehmen identifiziert?
Schütt: Wenn wir die eingangs thematisierte schwierige Refinanzierung als limitierenden Faktor zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen machen und die konsequente Kostenreduktion bei gleichzeitig raschem Erreichen der energetischen Parameter voraussetzen, drängt sich folgende Frage auf: Können wir unsere Ziele ausschließlich mit der Anlagentechnik erreichen und zunächst auf das Dämmen verzichten?
Den elementaren Anhaltspunkt dafür liefert der Spitzenlastanteil eines Hybridsystems. Denn daraus ergibt sich das CO2 emittierende Volumen der Gaskessel. Bei dem ersten realisierten und im Alternativbetrieb arbeitenden Hybridsystem der GEWO lag der Anteil des Gaskessels bei 1%. Überraschend niedrig also.
Wenn wir den Arbeitsanteil und damit die Leistung der Wärmepumpe als Teil eines hybriden Systems deutlich reduzieren, ergibt sich eine große, dynamische Spielwiese. Denn dann lässt sich der Bivalenz Punkt so verschieben, dass energetisch unveränderte Bestandsgebäude sicher mit Wärme versorgt werden können. Unter Einhaltung der fixierten Emissionserfordernisse. Es ist gleichzeitig ein Ansatz, der die Umsetzungsgeschwindigkeit erhöht.
Siehlmann: Aus unserer Sicht gibt es verschiedene Player, die auch verschiedene Handlungsmöglichkeiten haben. Als Wohnungsunternehmen erproben wir zunächst, ob bei der Heizungsanlage (falls noch nicht vorhanden) ein Umstieg auf dezentrale Warmwasserbereitung möglich ist. Ziel ist dabei zum einen, die Wärmepumpe kleiner dimensionieren zu können, um Herstellungskosten zu sparen und ggfs. auf Hausanschlussverstärkungen zu verzichten und zum anderen die Vorlauftemperaturen weiter abzusenken, um die Wärmepumpe effizienter betreiben zu können.
Eine weitere wichtige Maßnahme, liegt in der Qualifizierung unseres Personals: So sollen einige Mitarbeiter auf den Einbau von Wärmepumpen geschult und darüber hinaus auch mit dem „Kälteschein“ zertifiziert werden, um künftig Wartungen von Wärmepumpen selbst und deutlich kostengünstiger ausführen zu lassen. Darüber hinaus haben wir eine Mitarbeiterin zur Energieberaterin zertifizieren lassen, wodurch wir uns deutlich verbesserte und vor allem schnellere Berechnungen für unsere energetischen Modernisierungen versprechen – denn externe Energieberater sind weiter stark ausgelastet.
Und welche Möglichkeiten hat aus Ihrer Sicht die Politik?
Siehlmann: Wie bereits erwähnt, benötigen wir zur Umsetzung der Wärmewende eine gleichgestellte und auskömmliche Förderkulisse. Damit einher geht das Thema des Mietsteigerungspotentials nach Modernisierung. Die aktuelle Gemengelage macht weder eine Wirtschaftlichkeit, geschweige denn eine „schwarze Null“ möglich. Das können wir auf Dauer finanziell nicht durchhalten.
Darüber hinaus wäre ein „DEUTLICH“ niedrigerer Strompreis für Wärme ein wichtiges Zeichen. Durch die aktuell gesunkenen Gaspreise, aber einem konstanten bis leicht gestiegenen Strompreis muss die Wärmepumpe wirtschaftlich um ihren Erfolg bangen.
Schütt: Die GEWO mbH hat Anfang 2021 zwei von den Grundrissen und Gesamtfläche vergleichbare Neubauten fertig gestellt. Eins nach ENEV mit Wärmepumpe. Das zweite als KfW 40+, vollelektrisch, Infrarot beheizt. Gefördert wurde das energetisch effizientere Gebäude, das jedoch technisch bedingt, das höhere CO2-Volumen emittiert.
Seitdem fragen wir uns, ob es nicht sinnhafter wäre, bei der Förderung das erzielte Einsparergebnis zu belohnen bzw. auf den CO2 footprint abzustellen. Das schafft viel Platz für neue Gedanken und Technologieoffenheit.
Welche ersten konkreten Schritte verfolgen Sie, um die Wärmewende in Ihrem Bestand gezielt voranzutreiben?
Schütt: Für uns beginnt die Wärmewende in unserem Bestand mit der Datenerhebung. Also dem Messbetrieb und der Darstellung der energetischen Historie jedes Gebäudes. Damit sind faktenbasierte Gegebenheiten Grundlage unserer Entscheidungen. Wir dehnen schrittweise unsere Testfelder aus, sodass verschiedene technische Ansätze uns Hinweise liefern, welche Kombinationen eine sinnvolle, ausgewogene wirtschaftliche und ökologische Wirkung erzielen. Dazu gehört perspektivisch auch, jeweils den Energieträger zu wählen, der zum Zeitpunkt der Wärmeanforderung eines Gebäudes den geringsten CO2 Ausstoß verursacht. D.h., sich für Gas, Strom etc. in Abhängigkeit von dem dann aktuell vorliegenden regenerativen Eintrag zu entscheiden.
Siehlmann: Wir haben bereits die ersten Projekte mit Wärmpumpen im Rahmen der Bestandssanierung erfolgreich durchgeführt. Gespannt sind wir besonders auf ein Projekt, bei dem wir ein energetisch wenig modernisiertes Mehrfamilienhaus mit 52 Wohnungen aus den sechziger Jahren mit einer Wärmepumpenkaskade und großer PV-Anlage ausstatten. Rechnerisch lässt sich das Projekt trotz zentraler Warmwasseraufbereitung gut darstellen. Wichtig ist es vor allem deswegen, weil wir zu der Erkenntnis gekommen sind, dass wir aus finanziellen und zeitlichen Gründen nicht jedes Objekt vollumfänglich modernisieren können, bevor wir eine Wärmpumpe einbauen.
Der Kerngedanke liegt bei der CO2-neutralen, bzw. CO2-reduzierten Beheizung. Wir denken, dass dies vom Grundsatz her mit Wärmepumpen auch im energetisch nicht optimalen Bestand möglich sein sollte. Werden die Wärmepumpen zudem von PV-Anlagen unterstützt, reduziert das den Strombezug aus dem Netz und senkt die Heizkosten für die Mieter. Bei Häusern, wo sich monoenergetische Lösungen nicht darstellen lassen, setzen wir als Spitzenlastkessel eine Gasheizung ein. Ziel ist es dabei, sich bereits heute zu überlegen, wann dieses Haus später energetisch modernisiert werden kann und vor allem in welcher Güte. So kann nach Möglichkeit die Wärmepumpe heute bereits so ausgelegt werden, dass wir dann die Gasheizung nicht mehr benötigen.
Zu den Vorträgen von Reno Schütt und Jörg Siehlmann auf dem 2. Niedersächsischen Wärmepumpentag
Zum Dena-Praxisleitfaden "Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern"
Dr. Georg K. Schuchardt
0511 89 70 39-26
georgkonrad.schuchardt [at] klimaschutz-niedersachsen.de