Weil besucht vier vorbildliche Projekte

Ministerpräsident Stephan Weil auf Winterreise: Chancen der Wärmewende nutzen!

Die Wärmewende stand lange im Schatten der Stromwende. Dabei ist der Wärmesektor entscheidend für das Gelingen der Energiewende und den Klimaschutz. In Niedersachsen gibt es eine Vielzahl von Projekten, die Mut machen und die verdeutlichen, wie der Wärmebedarf zukünftig klimaneutral gedeckt werden kann. Am 29.11. besuchte Ministerpräsident Stephan Weil im Rahmen einer Presserundfahrt vier vorbildliche Projekte. Die KEAN hat an der Winterreise mitgewirkt.

Auf die Wärmebereitstellung entfallen mehr als 50 % des Endenergiebedarfs, wovon in Niedersachsen laut Energiewendebericht 2020 lediglich rund 8 % aus erneuerbaren Quellen stammen - und diese wiederum weit überwiegend aus Holz. Wohngebäude werden noch immer zu rund 90 % mit fossilen Energieträgern beheizt. Das muss sich ändern, was eine große Herausforderung ist, die aber auch viele Chancen bietet. Davon zeigte sich der Ministerpräsident überzeugt.

Nachdem infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Energiepreise in die Höhe schossen und der Import von billigem russischem Gas entfallen ist, gewann der Aspekt der Energiesicherheit deutlich an Bedeutung. Mit dem Gebäudeenergiegesetz und der gesetzlichen Verpflichtung zur Erstellung kommunaler Wärmepläne wurde der rechtliche Rahmen für die Transformation der Heizwärmebereitstellung geschaffen. Wie die Gesetze verzahnt sind, haben wir im Rahmen des letzten Newsletters erläutert.

Eine zentrale Rolle bei der Wärmewende kommt der Wärmepumpe zu - das wurde schon bei der ersten Station in Oesselse bei Laatzen deutlich: Das Einfamilienhaus (Baujahr 1985) der Familie Kollenda mit einem Wärmebedarf von 13 kW. 2023 wurde das Haus mit einer Wärmepumpe ausgestattet, die im vergangenen Jahr aus 4.500 kWh elektrischem Strom rund 14.000 kWh Wärme erzeugte. Die Eigentümer zeigten sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis und betonten, dass die Wärmepumpe in dem energetisch nur teilsanierten Haus unter Berücksichtigung der Förderung wirtschaftlicher sei als die vorherige Gasheizung. Herr Gunaydin, der mit seiner Firma die Anlage installiert hat, machte deutlich, dass entgegen einer weit verbreiteten Meinung Wärmepumpen auch in älteren Bestandsgebäuden gut funktionieren. Kritisiert wurde von Herrn Kollenda, dass es vor Ort keinen Wärmepumpenstromtarif gebe. Hier bestehe politischer Handlungsbedarf. Auch sollte die soziale Perspektive bei der Förderung stärker berücksichtigt werden. 

Ministerpräsident Weil informiert sich über die Wärmepumpe der Familie Kollenda. Bildquelle: Niedersächsische Staatskanzlei

Die Stadtwerke Neustadt am Rübenberge präsentierten sich dem Ministerpräsidenten mit ihrem „kalten“ Nahwärmenetz als Ideenstadtwerke. Im Neubauquartier „Hüttengelände werden 72 Einfamilien- und 44 Mehrfamilienhäuser mit Erdwärme versorgt. Der Clou: Ein in 1,5 m vergrabenes Kollektorfeld liefert die Wärme mit einer Temperatur von knapp 10 °C an die Wärmepumpen in den Häusern. Die Kunden haben die Möglichkeit, die Wärmepumpen zu kaufen oder zu mieten. Fast alle haben die Anlagen gekauft und beziehen lediglich die Wärme von den Stadtwerken. Herr Lindauer als Geschäftsführer der Ideenstadtwerke betonte das mit einer Gasversorgung vergleichbare Preisniveau und hob hervor, dass die Kunden vor großen Preisschwankungen sicher seien – und im Sommer mit der Heizung ihre Gebäude kühlen können. Der Ministerpräsident zeigte sich sehr beeindruckt, wollte aber auch die Kunden zu ihren Erfahrungen hören und besuchte mit der versammelten Presse die Familie Flögel. Das Ehepaar hat das Grundstück mit der Verpflichtung zum Anschluss an das Wärmenetz erworben. Die Verpflichtung sei für sie kein Problem gewesen und die Erfahrungen seien sehr positiv.

KEAN Geschäftsführer Lothar Nolte im Gespräch mit dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil

In Hannover wurde dem Ministerpräsidenten auf dem Gelände des 272-MW-Kohlekraftwerks Stöcken der enercity AG die „Großbaustelle Wärmewende“ in ihrer Dimension bildlich vor Augen geführt. Hannover will bis 2035 klimaneutral werden. Dabei kommt neben dem massiven Ausbau der Erneuerbaren dem Ausbau des Fernwärmenetzes eine zentrale Rolle zu, dessen Trassenlänge bis 2045 nahezu verdoppelt werden soll. Die derzeit eingesetzte Steinkohle soll als Energieträger zunächst durch zwei hoch-flexible Biomethan- Blockheizkraftwerke, eine Anlage zur thermischen Verwertung von Klärschlamm, die Auskopplung von Wärme aus der Müllverbrennungsanlage Hannover-Lahe, eine Power-to-heat-Anlage sowie ein Altholz-Heizkraftwerk (dessen Wärme durch eine Großwärmepumpe zusätzlich verdichtet wird) ersetzt werden.

enercity-CEO Dr. Susanna Zapreva informiert Ministerpräsident Weil über die geplante Transformation des Gemeinschaftskraftwerks in Hannover-Stöcken. Bildquelle: Niedersächsische Staatskanzlei

Vorstandsmitglied Prof. Dr. Marc Hansmann erläutert auf kritische Nachfrage hin, dass der Einsatz der Biomasse erforderlich werde, um den Temperaturanforderung der abnehmenden Industrie gerecht zu werden. Biomasse sei nur ein begrenzt verfügbarer Energieträger, der, wie auch der für die spätere Umstellungsstufe vorgesehene Wasserstoff, zunächst nur sehr eingeschränkt zu Heizzwecken im Wohnungsbereich zur Verfügung steht. Besonders interessant: Bereits 2026 sollen rund 8% der Wärme über eine Großwärmepumpe aus Flusswasser gewonnen werden. Forscher der TU Braunschweig schätzen das Potenzial aus Oberflächengewässern auf rund 50 % des derzeitigen Wärmebedarfs in Deutschland.

Geothermie bietet die Möglichkeit, erneuerbare Wärme aus einer umweltfreundlichen und nahezu unerschöpflichen Energiequelle zu gewinnen. Sie stellt damit eine weitere Option dar, die in der Kommunalen Wärmeplanung Berücksichtigung finden sollte. Sie ist notwendig für das Erreichen der ehrgeizigen Klimaziele Niedersachsens. Besonders die oberflächennahe Geothermie hat das Potenzial, für die Wärmewende schnell ausgebaut zu werden und den Anteil geothermischer Heizenergie bis 2030 zu vervierfachen. Im vergangenen Jahr wurden in Niedersachsen 2705 Geothermieanlagen installiert. 18 Prozent mehr als 2021! Die in 2022 zugebaute gesamte Anlagenleistung der weit überwiegend mit Erdwärmesonden arbeitenden Geothermieanlagen betrug knapp 31 MWth.

Auch das vierte Objekt - ein Schulneubau in Hannover Mühlenberg - soll zu 70 % mit über Erdwärmesonden gewonnener Erdwärme versorgt werden. Dazu werden derzeit 38 Sonden mit einer Heizleistung von 140 kW und einer Kühlleistung von 91 kW unter dem zukünftigen Schulhof ca. 150 m tief in das Erdreich eingebracht. Die Spitzenlast soll über einen Gaskessel abgedeckt werden. Das LBEG, das landesweit als Fachbehörde zu Fragen rund um die Erdwärme beratend ist, begleitet den Einbau der Erdwärmesonden. Der Vertreter des LBEG, Herr Holger Jensen, erläuterte das umfangreiche Informationsangebot der LBEG, das insbesondere von den Unteren Wasserbehörden genutzt werde.

Die Teilnehmenden der Fahrt am Schulneubau in Hannover Mühlenberg. Bildquelle: Niedersächsische Staatskanzlei

Die Winterreise machte laut Ministerpräsident Weil deutlich: „Der Wärmesektor ist entscheidend für das Gelingen der Energiewende und den Klimaschutz. Die niedersächsischen Projekte zeigen, dass es viele Optionen gibt, um erneuerbare Wärmequellen vor Ort zu erschließen – sei es Umgebungswärme aus der Luft, dem Boden oder Gewässern, Abwärme aus der Industrie oder auch die Geothermie aus größeren Tiefen.“

Derzeit werden von verschiedenen Unternehmen in 19 sogenannten Erlaubnisgebieten (drei Mal so viele wie 2020) wirtschaftlich erschließbare Geothermiepotenziale erkundet, wie das LBEG auf Nachfrage mitteilte. Die verschiedenen Optionen gilt es, vor Ort auf ihre Nutzbarkeit zu betrachten. Diesbezüglich maß Ministerpräsident Weil der kommunalen Wärmeplanung eine entscheidende Bedeutung bei: „Die kommunale Wärmeplanung muss die denkbaren Möglichkeiten zusammenführen und den Weg zu einer klimaneutralen  Wärmeversorgung aufzeigen.“

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