Rascher Ausbau der Photovoltaik in Niedersachsen machbar - dezentrale Versorgung erleichtern - EEG Umlage abschaffen - Solarbranche stärken
Große Dachflächen im Fokus
Das Potenzial an geeigneten Dachflächen in Niedersachsen ist groß. Dort können nach Berechnungen des Instituts für Solarenergieforschung in Hameln mehr als 60 Gigawatt Photovoltaik installiert werden. Um schnelle Fortschritte zu erreichen müssen vor allem große Dachflächen auf Gewerbegebäuden und öffentlichen Dächern erschlossen werden. Auf den deutlich kleineren privaten Wohngebäuden erleben Photovoltaik-Anlagen bereits einen Boom.
Wie Kim Radermacher an Beispielen aus der Projektierung großer Dachanlagen zeigte, können diese wirtschaftlich betrieben werden. Für eine Stärkung der dezentralen Versorgung ist es jedoch notwendig, dass neben der Eigenversorgung auch Nachbarschaften mit Solarstrom versorgt werden können. Die derzeit anfallende EEG-Umlage bei einer Lieferung an Dritte, verhindert diesen Weg. Da eine Lieferung des überschüssigen Stroms an Nachbarschaften durch die EEG-Umlage und weitere Vorgaben nicht wirtschaftlich ist, werden große Dachflächen häufig nicht maximal mit PV-Modulen ausgestattet.
Nachbarschaften mit Solarstrom versorgen
Wie der Blick von Prof. Bernd Engel (TU BS) in das Nachbarland Österreich zeigte, wird dort das EU-Recht (EE-Richtlinie und Elektrizitätsbinnenmarkt RL) umfassender umgesetzt als bislang in Deutschland. So können dort lokale Gemeinschaften auf Ortsnetz-Ebene den erzeugten Solarstrom gemeinschaftlich nutzen, Hürden wie Netzentgelte werden gesenkt. Eine solche Herangehensweise sei auch für Deutschland unbedingt wünschenswert. Damit, so Engel, könnten mehr Menschen an der Energiewende teilhaben.
Vor bürokratischen Hürden stehen auch die Eigentümerinnen und Eigentümer von Mietshäusern in Deutschland. Wer Strom vom Dach an seine Mieterschaft liefern will, wird mit der EEG-Umlage belastet. Daran ändert auch der sogenannte Mieterstrombonus nichts, da finanzielle Nachteile bleiben und die rechtlichen Regelungen ausufernd sind.
Teilhabe an Energiewende durch Bürgerenergiegenossenschaften
In Niedersachsen gibt es bereits eine große Zahl an Energiegenossenschaften. Sie ermöglichen es Bürgerinnen und Bürgern in erneuerbare Energien zu investieren. Sie verfügen, so Marcus Biermann von der NaturEnergie Region Hannover über ausreichende finanzielle Ressourcen um PV-Anlagen auf Landesliegenschaften und anderen öffentlichen Gebäuden zu bauen. Ausschreibungen von Projekten sollten jedoch mit längeren Fristen versehen werden, da Genossenschaften mehr Vorlauf als Unternehmen benötigen. Zudem sollten einzelne Lose ausgeschrieben werden und nicht nur Gesamtpakete.
PV-Freiflächenanlagen produzieren Strom am günstigsten
Die weltweit günstigste und zugleich klimaneutrale Stromerzeugung sind PV-Freiflächenanlagen. Wie Arne Radl vom Unternehmen Enerparc erläuterte, liefern Freiflächen-Anlagen, die hierzulande in Ausschreibungen den Zuschlag erhalten, Strom für unter 5 Cent je Kilowattstunde. In Niedersachsen wird diese Chance zur Energieversorgung wenig genutzt. Die Vorgaben des Landesraumordnungsprogramms (LROP), so Radl, schränken die Verfügbarkeit von Flächen sehr stark ein. Auch die Neufassung des LROP, die derzeit im Entwurf vorliegt, bleibt auf diesem Kurs. Eine transparente Darstellung von Suchräumen sowie die Identifikation geeigneter Flächen durch die Kommunen könnte dieses Dilemma lösen.
Wasserstoff und Batteriespeicher je nach Einsatzfeld
Die häufig vorgebrachten Einwände zu fehlenden Speichermöglichkeiten von Wind- und Solarstrom sind von der technischen Entwicklung bereits überholt. Während Elektrofahrzeuge, die mit erneuerbarem Strom gespeist werden, die wirtschaftlichste Lösung für den Individualverkehr sind, bietet die Herstellung von Wasserstoff vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie und im Schwerlastverkehr. Prof. Rolf Brendel plädierte für einen intensiven PV Zubau in den nächsten 10 Jahren, um die Produktion von grünem Wasserstoff in Niedersachsen voranzubringen. Sein Vortrag steht weiter unten als Video zur Verfügung.
Wie mehrere Praxisbeispiele zeigten, ist Solarstrom relevant für die Sektorenkopplung und kann dezentral erzeugt und verbraucht werden, wenn vor Ort ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Dr. Fabian Sösemann von GP Joule stellte ein regionales Konzept vor, in dem erneuerbare Energien Wasserstoff erzeugen, der unter anderem für Brennstoffzellen-Busse genutzt wird. In einem neuen Wohnquartier in Esslingen ist ein Elektrolyseur eingebunden, um überschüssigen PV-Strom in Wasserstoff umzuwandeln wie Felix Mayer von Green Hydrogen Esslingen zeigte.