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Mit über 50 Prozent entfällt der größte Anteil des Endenergieverbrauchs in Deutschland auf den Wärmesektor, sei es zur Heizwärmebereitstellung, Warmwasserbereitung oder auch zur Erzeugung von Prozesswärme in der Industrie. Rund 85 Prozent davon werden mit fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas erzeugt. Daher ist die Wärmewende zentraler Bestandteil der Energiewende und aller Bemühungen um den Klimaschutz. In anderen Worten: Ohne erfolgreiche Wärmewende kann die Energiewende als Ganzes nicht gelingen.
Veröffentlicht am: 10. Juni 2021Im Fokus stehen dabei einerseits das Erreichen eines „nahezu klimaneutralen Gebäudesektors" im Jahr 2050, andererseits das Zusammenwirken der Wärmewende im Gebäudesektor mit der Energiewende des „gesamten Energiesystems" – Stichwort Sektorkopplung. Zentrale Fragestellungen sind dabei: Welche Maßnahmen, Technologien und Instrumente stehen der Politik zur Verfügung, um die Wärmewende voranzutreiben und wann sind diese Maßnahmen einzuführen, damit diese bis 2050 hinreichend Wirkung entfalten können? Mit der anstehenden Novellierung des Bundes-Klimaschutzgesetzes soll die Treibhausgasneutralität sogar schon bis 2045 erreicht werden.
In diesem Zusammenhang haben das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, das Öko-Institut und das Hamburg Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes 12 einschlägige Studien zu o.g. Reduktionszielen im Zuge einer Metaanalyse ausgewertet und fasst diese zusammen. Ergebnis der Metaanalyse ist: Das aktuelle Ambitionsniveau ist weder zur Erreichung eines „klimaneutralen Gebäudebestands", noch für das Erreichen der Reduktionsziele im „gesamtdeutschen Energiesystem" hinreichend. Fazit: Es besteht sowohl bei der verstärkten Nutzung von erneuerbaren Wärmequellen, als auch bei der Erhöhung der Gebäudeeffizienz weiterer Handlungsbedarf, um die Klimaschutzziele Deutschlands zu erreichen!
Anteil der erneurbaren Wärmequellen ausbauen – Sanierungsrate erhöhen
Mit Blick auf die Nutzung erneuerbarer Wärmequellen in Gebäuden werden in der Studie vor allem der Einsatz von Wärmepumpen sowie die Dekarbonisierung und der Ausbau von Fernwärmenetzen als Schlüssel für eine erfolgreiche Wärmewende genannt. Die Bereitstellung von synthetischen Brennstoffen und die Nutzung von Biomasse sollten demgegenüber ausdrücklich nicht im Gebäudebereich geschehen, sondern Anwendungen mit höheren Temperaturanforderungen (z.B. Prozesswärme) vorbehalten sein. Hier wäre laut der Autoren der Studie wünschenswert und zielführend, eine verbindliche nationale Strategie zur Nutzung dieser Energieträger zu erarbeiten.
Im Bereich der Gebäudeeffizienz sind demgegenüber vor allem die Anhebung der Sanierungsrate und der Sanierungstiefe zu nennen. Der Erfolg energetischer Sanierungen ist dabei unbedingt zu eruieren und zu verifizieren, um die Erreichung der Effizienzziele sicherzustellen – ein Ergebnis welches sich auch bereits in der „Energieeffizienzstrategie für Niedersachsen – Baustein: Gebäudesektor" (März 2020) wiederfindet. Wichtig: Für die Klimaschutzziele Deutschlands ist der Gebäudesektor im Jahr 2050 durchschnittlich auf einen KfW-Effizienzhausstandard-55 zu verbessern. Dieser Standard ist im Bestand aber sicherlich nicht überall erreichbar (z.B. aufgrund von technischen Restriktionen oder Denkmalschutz). Dieses Effizienzdefizit ist dann durch andere Gebäude auszugleichen, indem hier höhere Effizienzhausstandards realisiert werden (z.B. KfW-40 oder KfW-40 Plus). Hier bieten sich nach Ansicht der Autoren in erster Linie Neubauten an.
In diesem Zusammenhang wurden dann seitens der Autoren insgesamt 10 Instrumente umrissen, welche die Wärmewende im Sinne der deutschen Klimaschutzziele vorantreiben sollen. Weiterhin bewerten die Autoren die vorgeschlagenen Instrumente qualitativ und quantitativ, z.B. hinsichtlich Zielgenauigkeit, resultierender Planungssicherheit oder erwarteter CO2-Einsparungen. Vorausgesetzt wird dabei wird eine wirksame CO2-Bepreisung für den Gebäudebestand, wobei sowohl offen bleibt, wie diese Bepreisung zur jüngst eingeführten CO2-Bepreisung steht, als auch wie diese Bepreisung konkret ausgestaltet werden kann.
Auf dieser Basis schlagen die Autoren schlagen u.a. vor:
1. Die Einführung einer Gebäude-Klimaabgabe, mit dem Ziel einer langfristigen Finanzierung von Förderprogrammen zur Gebäudesanierung aus diesen Abgaben. Diese Abgabe soll sich dabei laut Autoren an einem Zielwert für den energetischen Standard der Gebäude orientieren, der wiederum über die Jahre bis auf das Zielniveau absinkt.
2. Die steuerliche Berücksichtigung energetischer Standards in der Grund- und Grunderwerbssteuer, abhängig vom energetischen Zustand der betreffenden Gebäude, um weitere Anreize zu Sanierungen zu geben. Dafür wird eine Staffelung der Grund- und Gewerbesteuer in Abhängigkeit des energetischen Zustands des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes vorgeschlagen.
3. Anpassungen des Gebäudeenergiegesetzes mit Fokus auf den energetischen Mindeststandard für Neubauten und verschärften Anforderungen an Bestandssanierungen. Hier wird u.a. vorgeschlagen, Nachrüstverpflichtungen an der Heizung auszuweiten, bzw. Effizienzstandards im Neubau zu steigern. Dies wird z.T. bereits in aktuellen Diskussionen rund um das Klimaschutz Sofortprogramm 2022 der Bundesregierung aufgegriffen, s. Tagesschau.
4. Einführung von schrittweise wachsenden Mindestanteilen an erneuerbarer Energie in Fernwärmesystemen. So soll so u.a. die Einbindung/ Nutzung von Abwärmepotenzialen und anderer erneuerbarer Wärmequellen in Fernwärmesystemen sichergestellt werden.
Sowohl für die wirksame CO2-Bepreisung für den Gebäudebestand, als auch für die nachfolgend genannten Maßnahmen bleibt allerdings offen: Wie können diese Maßnahmen im Hinblick auf organisatorische Hürden effizient im Sinne des Klimaschutzes umgesetzt werden?
Abschließend werden die einzelnen Maßnahmen qualitativ und quantitativ u.a. hinsichtlich ökologischer Zielgenauigkeit, Planungs- und Investitionssicherheit für Gebäudeeigentümer und Staat, Finanzierungsanforderungen für den Staat, aber auch administrativer Aspekte sowie der potenziellen jährlichen Einsparungen an CO2 bewertet. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass bis 2030 vor allem CO2-Einsparungen durch Änderungen an bestehenden Förderprogrammen erzielt werden können. Im Einzelnen wird hier u.a. vorgeschlagen, den Förderrahmen zu verstetigen, Fördermittel aufzustocken, die Förderhöhen für verschiedene Effizienzhausstandards anzupassen und den Zugang zu Fördermitteln zu vereinfachen. Neben monetären Weichenstellungen wird weiterhin angeregt, die Ausschüttung von Fördermitteln verstärkt auf den Gebäudebestand, Mehrfamilienhäuser und den Einsatz rein erneuerbarer Wärmequellen zu lenken. Abschließend wird in der Studie für die Jahre nach 2030 ein Übergang vom „Mehr Fördern" hin zu „Mehr Fordern" prognostiziert.
Zur Studie: „Systemische Herausforderungen der Wärmewende"
Dr. Georg K. Schuchardt
0511 89 70 39-26
georgkonrad.schuchardt [at] klimaschutz-niedersachsen.de