Aktuelle Studien der Uni Braunschweig zeigen das große Potenzial der Nutzung von Umweltwärme aus Oberflächengewässern auf. So beträgt das Potenzial der niedersächsischen Flusssysteme allein schon mehr als 100TWh/a. Hinzu kommen Potenziale aus der Nordsee und aus Binnenseen. Konkreter: Der Wärmebedarf der Landeshauptstadt Hannover beträgt ca. 5,4 TWh und könnte allein durch Ihme und Leine zumindest rechnerisch vollständig gedeckt werden. Die Nutzung von Oberflächengewässern als Umweltwärmequelle für Großwärmepumpen erscheint im Sinne der Wärmewende daher naheliegend. Aspekte wie die Nähe von Siedlungen und Oberflächengewässern, sowie die hohe Attraktivität dieser Wärmequelle für Wärmenetzbetreiber erhärten diesen Eindruck.
Welche Rolle sehen Sie für die Nutzung von Umweltwärme aus Oberflächengewässer im Rahmen der Wärmewende?
Aus wasserwirtschaftlicher und wasserfachlicher Sicht spielt die Nutzung von Oberflächengewässern als Umweltwärmequelle bislang keine Rolle. Angesichts der genannten Potenzale ist aber inzwischen klar, dass sich dies im Sinne der Wärmewende schnell ändern kann und wird. Dies zeigen auch erste Projekte in anderen Bundesländern.
Bei diesen Projekten haben wir es teilweise mit einer Nutzung von Umweltwärme aus großen Seen, also „Stillgewässern“, zu tun. So soll bspw. der Bodensee als Umweltwärmequelle genutzt werden. Andererseits zeigen Beispiele wie in Mannheim oder Rosenheim, dass insbesondere Fließgewässer für eine Umweltwärmenutzung sehr große Möglichkeiten bieten.
Zu den Stillgewässern ist dabei festzuhalten: Erfahrungen und Randbedingungen anderer Projekte sind bei der Nutzung seethermischer Potenziale auf nds. Verhältnisse nur bedingt übertragbar. Grund dafür ist, dass unsere Seen, wie z.B. das Steinhuder oder Zwischenahner Meer, sehr flach sind. Aus Gründen des Gewässerschutzes wird die Einleitung von abgekühltem Wasser hier als kritisch eingeschätzt. Dies ist bei Fließgewässern anders. In Niedersachsen sollte daher der Fokus für eine Umweltwärmenutzung aus Gewässern m.E. zunächst auf Fließgewässer gelegt werden.

Der Fokus sollte aus Sicht von Herrn Wöhler in Niedersachsen auf Fließgewässer gelegt werden. Bild: Fotolia_136115580
Fokussieren wir uns also zunächst einmal auf Flüsse als Umweltwärmequelle: Welche Möglichkeiten und Hemmnisse ergeben sich aus wasserwirtschaftlicher bzw. -rechtlicher Sicht bei der Nutzung von Fließgewässern als Wärmequelle?
Aus Sicht des Gewässerschutzes und insbesondere der Gewässerökologie stehen bei der Nutzung von Fließgewässern als Umweltwärmequelle mindestens drei Aspekte im Vordergrund. Erstens stellt der Bau von Entnahme- und Einleitungsbauwerken im Regelfall einen Eingriff in Ufer und Sohle und damit einen wasserrechtlichen Genehmigungstatbestand dar, sofern diese Anlagen nicht schon vorhanden sind und ggf. umgenutzt werden können.
Zweitens ist der Eintrag potenziell wassergefährdender Substanzen durch die Energieentnahme über den Wärmetauscher von großer Bedeutung. Vor allem der Eintrag umwelt- und wassergefährdender Kältemittel ist unbedingt zu vermeiden. Hierfür sind wirksame Maßnahmen zur Vorbeugung und für den akuten Notfall zu ergreifen.
Drittens – und dies wird nach meiner Wahrnehmung derzeit am intensivsten diskutiert – ist der Einfluss der Wärmeentnahme und die mit der Wiedereinleitung einhergehende Temperaturabnahme im Fließgewässer zu beachten. Hier wird derzeit v.a. die Temperaturabsenkung im Volumenstrom durch die Großwärmepumpe diskutiert. Diese soll beschränkt werden, gegebenenfalls unabhängig von der Größe des betreffenden Fließgewässers. Dabei sollte doch aber klar sein: Es ist ein großer Unterschied, ob ich 1m³/s aus der Elbe oder z.B. der Ilmenau entnehme und um 2 oder 3 K abkühle. Treiber der Diskussion ist, dass durch eine punktuelle Einleitung mehr oder weniger stark abgekühlter Volumenströme in einen Fluss eine Barrierewirkung entstehen kann, die sich negativ auf Migrationsbewegungen von Wanderfischen auswirkt.
Gemeinsamer Nenner der genannten Punkte ist aber: Für alle der skizzierten Probleme sind geeignete technische, konstruktive oder gestalterische Lösungen denkbar. In anderen Worten: Es gibt Möglichkeiten, um praktikable wasserbauliche Anlagen zu errichten, einen Eintrag wassergefährdender Substanzen zu vermeiden und den „Barriere-Effekt“ für Migrationsbewegungen zu minimieren. Dabei ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, derartige Lösungen durch einen vergleichsweise offenen Rahmen zu regeln! Hierfür gilt es, pragmatische Wege zu finden und Gestaltungsspielräume zu nutzen, um die neuen Fragestellungen und Herausforderungen ergebnisorientiert aufzugreifen und zugleich rechtskonform abzuarbeiten.