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Die Wärmewende ist aktuell aufgrund der Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz und das Wärmeplanungsgesetz in aller Munde. Eine potenzielle Wärmequelle, die in der Diskussion bislang wenig beachtet wurde, sind Oberflächengewässer wie Flüsse und Seen. Diese speichern enorme Mengen an Wärmeenergie, die mittels Großwärmepumpen für die Beheizung nutzbar gemacht werden können. Wir stellen die Technologie näher vor und beleuchten deren potenzielle Bedeutung für die Wärmewende. Am 03. Juli bieten wir zudem eine Online-Veranstaltung zum Thema an, die speziell auf die kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten zur Nutzung von Wärme aus Flüssen und Seen eingeht.
Veröffentlicht am: 12. Juni 2023Wärme aus Oberflächengewässern für die Wärmewende nutzbar machen
Das Prinzip ist einfach: Umweltwärme aus Gewässern wie Seen, Flüssen oder der Kanalisation wird entnommen und mit (Groß-)Wärmepumpen auf Nutztemperaturniveau gehoben. Der Clou ist dabei, dass große Teile der bereitgestellten Nutzwärme „for free“ aus der Umwelt kommen und lediglich ein kleiner Teil der Nutzwärme (ca. ¼) in Form von Strom zugeführt werden muss. Die so bereitgestellte Nutzwärme kann dann direkt in einem Gebäude genutzt werden oder via Wärmenetz für ganze Quartiere oder Städte (z.B. Mannheim oder Rosenheim) bereitgestellt werden. Voraussetzung ist, dass die „angezapften“ Seen, Flüsse sowohl eine gewisse Mindesttemperatur (ca. drei, besser acht Grad Celsius) als auch ein hinreichendes Wärmepotenzial (Wasservolumen, Abflussmenge) bereitstellen können.
Wenngleich die Vielzahl technischer Lösungen für die Nutzung dieser Wärmequellen groß und vielfältig sind, bleibt festzuhalten: Die Nutzung von Umweltwärme aus oberflächennahen Gewässern ist noch nicht hinreichend bekannt. Daher führt die KEAN am 03.07.2023 eine Online-Veranstaltung zum durch, bei der verschiedene Lösungen für die Nutzung von Umweltwärme dargestellt und in den Kontext der Wärmewende und Wärmeplanung eingeordnet werden.
Oberflächennahe Gewässer wie Seen können zur erfolgreichen Wärmewende beitragen
Wärmepumpen in einzelnen Gebäuden und in Wärmenetzen …
Derzeit wird die Wärmepumpe als Schlüsseltechnologie für die Wärmeversorgung in erster Linie als gebäudeindividuelle Lösung gedacht. Anstelle eines (fossilen) Kessels wird dabei in jedem Gebäude eine Wärmepumpe installiert. Folgerichtig konzentrieren sich auch eine Vielzahl der Regelungen des Referentenentwurfs zum GEG um ebendiese gebäudeindividuellen Wärmepumpensysteme.
Andererseits können Großwärmepumpen auch in Wärmenetzen eine zentrale Rolle für die Wärmeversorgung spielen. So kommt eine aktuelle Studie der Agora Energiewende zum „Rollout von Großwärmepumpen in Deutschland“ (erstellt vom Fraunhofer IEG) zu dem Ergebnis, dass etwa 70% der Fernwärmeversorgung durch diese Technologie bereitgestellt werden können. Weiterhin wird konstatiert, dass durch (Groß-) Wärmepumpen die Bereitstellung der gesamten deutschen Wärmenachfrage bis 200°C nicht nur technisch möglich ist, sondern auch hinreichend Wärmepotenziale hierfür vorhanden sein sollten. Auch die Deutsche Energieagentur (dena) unterstreicht in einem aktuellen Impulspapier die Wichtigkeit von (Groß-) Wärmepumpen bei der Dekarbonisierung der Fernwärme, während der Fernwärmeverband AGFW bereits 2020 festgestellt, dass diese Technologie eine der wichtigsten Einzeltechnologien zur Fernwärmebereitstellung sein werden. Bemerkenswert daran ist, dass sich dieses Statement des AGFW deutlich von deren älteren Studien zur zukünftigen Versorgungsstruktur von Fernwärmenetzen abgrenzt, in denen verbrennungstechnische Lösungen (Biomasse, Müll, KWK, etc.) weiterhin eine zentrale Rolle einnahmen (70/70 Strategie, 40/40 Strategie).
… und deren Markthochlauf
Unabhängig davon kommt auch die Studie der Agora Energiewende zu dem Ergebnis, dass Großwärmepumpen eine bewährte, verfügbare und marktreife, wenngleich in Wärmenetzen wenig genutzte bzw. beachtete Technologie sind (siehe hierzu auch eine Veröffentlichung des Bundesverbands Wärmepumpe). Für einen schnellen Markthochlauf von Großwärmepumpen bedarf es dabei einerseits der Beseitigung von Fehlanreizen, die gasbasierte Wärmelösungen ggü. strombasierten Wärmelösungen bevorteilen. Andererseits ist das kluge Ineinandergreifen verschiedener Instrumente nötig, um ein klares Zielbild für die Wärmeversorgung von Morgen herauszuarbeiten, Planungssicherheit für Hersteller und Wärmenetzbetreiber zu schaffen und Innovationen voranzutreiben sowie Kosten zu senken.
Ein zentrales Werkzeug hierfür ist die Kommunale Wärmeplanung. In der Kommunalen Wärmeplanung werden langfristige und strategische Entscheidungen darüber getroffen, wie die Wärmeversorgung organisiert und transformiert werden soll. So sollen laut Referentenentwurf zum Wärmeplanungsgesetz Planungssicherheit für Investitionen in erneuerbare Wärmeversorgungssysteme geschaffen werden und (in einem zweiten Schritt) Umsetzungsmaßnahmen angestoßen werden. Dabei wird dem Bau neuer Wärmenetze und dem Ausbau sowie der Transformation bestehender Wärmenetze eine herausragende Rolle für die Wärmewende eingeräumt. Wärmepumpen finden hingegen kaum (nur an acht Stellen) Erwähnung (im GEG sind es ca. 250 Erwähnungen).
Die kommunale Wärmeplanung ist ein zentrales Werkzeug für die erfolgreiche Wärmewende. Bildquelle: Shutterstock_1951391308
Der Nutzbarmachung von Umweltwärme kommt in diesem Zusammenhang eine wachsende Bedeutung zu, die auch im Rahmen der Norddeutschen Geothermietagung deutlich wurde. Auch daher wäre zu prüfen, inwiefern bereits im Gesetzeskontext Vorgaben zur Auslegung, dem Betrieb und der Transformation von Wärmenetzen gemacht werden können, um eine Dekarbonisierung der Wärmenetze langfristig sicherzustellen. Ansonsten drohen z.B. durch den Neubau hochtemperierter Wärmenetze (mit Temperaturen über 70°C) bereits heute die nächsten unnötigen Lock-In-Effekte, die man mit Blick auf Dänemark oder die Probleme bei der Umstellung deutscher Fernwärmenetze mit hohen Temperaturen auf Niedertemperaturquellen vermeiden muss.
Darüber hinaus sollten angesichts der fraglichen Verfügbarkeit verbrennungstechnischer Lösungen für die Raumwärme- und Warmwasserbereitstellung auch in relevanten Förderprogrammen wie der Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) weiterführende und ambitioniertere Vorgaben zur verstärkten Nutzung niedertemperierter Wärmequellen und zum Neubau, Ausbau und der Transformation von Wärmenetzen einfließen. Dies würde einen Beitrag zum der Agora Energiewende geforderten „klugen Ineinandergreifen verschiedener Instrumente“ zu gewährleisten und die heutigen Fortschritte der Wärmewende auch langfristig absichern.
Dr. Georg K. Schuchardt
0511 89 70 39-26
georgkonrad.schuchardt [at] klimaschutz-niedersachsen.de