Analyse zum Rechtsgutachten der Kanzlei Günther

Wasserstoff in der Wärmeplanung

In einer gutachterlichen Stellungnahme der Kanzlei Rechtsanwälte Günther wurde untersucht, welche Rolle Wasserstoff im Rahmen der Wärmeplanung gemäß des Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG) einnehmen kann. Der Fokus lag dabei auf den Ermessens- und Beurteilungsspielräumen der Kommunen als planverantwortliche Stellen für die Wärmeplanung. Insbesondere das „Ob“ und das „Wie“ einer Ausweisung von Wasserstoffnetzgebieten wurde dabei untersucht.

Im Ergebnis unterstreicht das vom Umweltinstitut München e.V. beauftragte Gutachten, dass eine verantwortungsvolle Wärmeplanung mit Wasserstoff aktuell nicht möglich ist. Voraussetzung dafür wäre nach Ansicht der Gutachter ein verbindlicher Fahrplan für eine Umnutzung des Erdgasnetzes auf die Versorgung mit Wasserstoff (Wasserstoffnetzausbau nach § 71k Abs.1 GEG). Dieser Fahrplan sollte der Bundesnetzagentur (BNetzA) vorliegen und von dieser genehmigt worden sein. Problem dabei: Die Inhalte dieser Fahrpläne sind noch nicht klar und werden seitens der BNetzA erst bis Ende 2024 definiert. Hinzu kommt, dass diese Fahrpläne bei der BNetzA bis spätestens zum 30.06.2028 vorzulegen sind, bevor diese von der BNetzA genehmigt werden können.

Daher sind Kommunen nach Ansicht der Gutachter in der Verantwortung, sich eigenständig beim Gasnetzbetreiber zu erkundigen, wie die Aussichten für eine Umnutzung des lokalen Erdgasnetzes sind. Auch liegt es an den Kommunen, zu bewerten, wie belastbar und verbindlich diese Planungen sind. Eine verantwortungsvolle Ausweisung solcher Wasserstoffnetzgebiete ist laut Gutachter zwingend (siehe hierzu auch Zusatzinfos unten) an solche Aussichten gebunden.

Welche Rolle spielt Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung? 

Liegen solche Planungen hingegen nicht vor, ist eine verantwortungsvolle Ausweisung von Wasserstoffnetzgebieten im Rahmen der Wärmeplanung nicht möglich. So kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass eine weitere Planung mit Wasserstoff in der Wärmeplanung bereits in der Vorprüfung nach § 14 WPG auszuschließen ist. Begründet wird dies durch die Zielsetzung einer „kosteneffizienten“ Wärmeversorgung nach § 1 WPG:

  1. Es ist davon auszugehen, dass der lokale Gasnetzbetreiber die Umstellung des Erdgasnetzes auf Wasserstoff vorantreibt, so dieser die Möglichkeit eines konkurrenzfähigen, wirtschaftlichen und damit kosteneffizienten Betriebs sieht. Im Umkehrschluss muss die Kommune davon ausgehen: Liegt kein solcher Fahrplan vor, wäre die Umstellung auf Wasserstoff mit Mehrkosten gegenüber anderen Lösungen zur Wärmeversorgung (z.B. Wärmenetz oder dezentral) für die Allgemeinheit verbunden.
  2. Mit Blick auf den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sind unnötige Planungen zu vermeiden und die Kommune dazu aufgerufen, keine Zeit und Ressourcen auf unrealistische Lösungen zu verschwenden.

➢ Im Rahmen einer Online-Veranstaltung am 13.09.2024 stellt die Kanzlei Rechtsanwälte Günther die Ergebnisse ihrer Gutachterlichen Stellungnahme im Detail vor.


Die Kommune als Gestalterin des Prozesses …

Die Kommune hat als planungsverantwortliche Stelle für die Durchführung der Wärmeplanung laut Gutachter weitreichende, unabhängige Entscheidungskompetenzen und Freiheiten. Innerhalb dieser Kompetenzen ist sie dafür verantwortlich, für einen Interessenausgleich und eine Verständigung zwischen zahlreichen und unterschiedlichen Akteuren (Stakeholdern) der Wärmewende zu sorgen.

Die Komplexität und Bedeutung dieser Aufgabe wird im Zusammenhang mit netzgebundenen Lösungen zur Wärmeversorgung (Wasserstoffnetze und Wärmenetze) schnell und illustrativ deutlich. Hier müssen einerseits die Interessen von Netzbetreibern (wirtschaftlicher Netzbetrieb), andererseits das Interesse der Wärmekunden (kostengünstige bzw. volkswirtschaftliche Wärmeversorgung) im Blick behalten werden. Diesen Interessenausgleich kann die Kommune nur herbeiführen, wenn sie neben der Kosteneffizienz auch eine Vielzahl anderer Aspekte beachtet, die unabdingbar für eine breite Akzeptanz der Wärmewende vor Ort sind. Diese sind u.a. Nachhaltigkeit, Gemeinwohl, Daseinsvorsorge, Sparsamkeit, Bezahlbarkeit, Resilienz und Treibhausgasneutralität (vgl. § 1 WPG) aber auch Fragen zur Energieträgerverfügbarkeit (gerade beim bisher kaum verfügbaren grünen Wasserstoff) sowie der technischen, physikalischen und energiewirtschaftlichen Umsetzbarkeit (vgl. § 9 WPG).

Nach Ansicht der Gutachter kann die Kommune diesen notwendigen Interessenausgleich und die erforderliche Verständigung nur herbeiführen, wenn die unterschiedlichen Stakeholder der Wärmewende möglichst frühzeitig und gleichberechtigt am Prozess der Wärmeplanung teilhaben können.

… und in Verantwortung für die Planung

Neben den Freiheiten der Kommune im Rahmen ihrer Entscheidungskompetenzen ergeben sich aus der Planungsverantwortung aber laut den Gutachtern auch Pflichten. So muss die Kommune den Prozess der Wärmeplanung steuern und somit alle relevanten Entscheidungen selbst treffen. Als Herrin des Verfahrens darf sie im Umkehrschluss den Prozess der Wärmeplanung nicht vollständig auslagern oder Dritten (z.B. Dienstleistern) überlassen. Mehr noch: In ihrer Planungsverantwortung ist die Kommune sogar zu Vorgaben verpflichtet, z.B. auf Basis welcher Quellen die Szenarien für die Wärmewende entwickelt werden sollen. Neben der Nutzung entsprechender Leitfäden zur Wärmeplanung wären dabei auch einschlägige (und neutrale, wissenschaftlich fundierte) Studien zu nennen, die sich mit der Verfügbarkeit verschiedener Energieträger (wie z.B. grünem Wasserstoff) beschäftigen.

Ausblickend bleibt festzuhalten, dass die Kommune auch bei der Umsetzung der Wärmewende aufgefordert ist, diese aktiv mitzugestalten. Eine rein strategische, initiierende Rolle wird aller Voraussicht nach nicht hinreichend sein, um das Ziel einer treibhausgasneutralen Wärmeversorgung bis 2040 (in Niedersachsen) zu erreichen.

Neben eigenen Investitionen in die lokalen Infrastrukturen werden heute vor allem flankierende Maßnahmen für Investitionsentscheidungen durch Dritte diskutiert. Hier ist v.a. der Erlass eines Anschluss- und Benutzungszwangs bei Wärmenetzen zu nennen, wobei dieser die Verpflichtung mit sich bringt, dass die Kommune hinreichende Einflussmöglichkeiten hat, um die Versorgungssicherheit langfristig sicherzustellen. In anderen Worten: Angesichts der Vielfalt an Aufgaben, die auf die Kommunen als planungsverantwortliche Stelle für die Wärmeplanung und im Fortgang der Umsetzung der Wärmewende zukommen, kann man gar nicht früh genug mit einem internen Kompetenzaufbau in diesem Thema beginnen.

 

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✏️ Zusatzinfos:

Grundsätzlich teilt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die in der Stellungnahme erarbeiteten Ergebnisse. Allerdings sieht das BMWK keine zwingende Notwendigkeit für eine (belastbare) Aussicht für die Umstellung des lokalen Gasnetzes auf Wasserstoff. Vielmehr geht das Bundesministerium davon aus, dass auch ohne diese Aussicht auf ein Wasserstoffnetzgebiet ein solches (i) in einem Wärmeplan (ohne rechtliche Außenwirkung – s. § 23 WPG) beschrieben werden kann oder gar (ii) gesondert ausgewiesen werden kann (nach § 26 WPG).

Dabei geben die Gutachter aber die Signalwirkung einer solchen Beschreibung im Wärmeplan und einer solchen „gesonderten Gebietsausweisung“ zu bedenken. Diese wird regelmäßig dazu führen, dass zum einen Investitionen in wasserstoffkompatible Heizungen erfolgen und zum anderen Maßnahmen für die Vorbereitung des Gebäudebestands zur Nutzung anderer nachhaltiger Wärmequellen (wie z.B. die Dämmung der Gebäudehülle, der Einbau von Flächenheizungen/ größeren Heizkörpern) unterbleiben.

Problematisch ist dabei: Sollte keine Umstellung erfolgen, tragen die Hauseigentümer:innen das alleinige Investitionskostenrisiko. Sobald jedoch ein Fahrplan für eine Umrüstung des Erdgasnetzes bei der BNetzA vorliegt und bewilligt wird, geht das Risiko für das Scheitern des Fahrplans auf den Gasnetzbetreiber über. Der Gasnetzbetreiber ist dann (aber erst dann) laut § 71k GEG zur Erstattung der Mehrkosten für den nochmaligen Umbau der Heizungsanlage gegenüber den Hauseigentümer:innen verpflichtet. Daher schließen die Gutachter: Ohne verbindliche Aussicht auf einen solchen Fahrplan erfolgt keine verantwortungsvolle Wärmeplanung und keine Risikoverteilung auf die unterschiedlichen Akteure der Wärmewende.


➥ Mehr zum Rechtsgutachten gibt es auch im Infoblatt-zum-Rechtsgutachten-Wasserstoffnetzgebiete.pdf (umweltinstitut.org)]

Kontakt

Dr. Georg K. Schuchardt

0511 89 70 39-26
georgkonrad.schuchardt [at] klimaschutz-niedersachsen.de

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