Herausforderungen und Lösungen im Blick

Wie Fachwerkstädte die Wärmewende schaffen – und was es dazu braucht

Wie gelingt in Fachwerkstädten die Wärmewende? Auf der Tagung „Fachwerk im Wandel 2025“ trafen sich am 10. September 2025 im Rahmen der Wochen der Wärme Vertreterinnen und Vertreter aus 15 Fachwerkstädten, um sich über die besondere Herausforderung auszutauschen, diese Städte auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung umzurüsten. Mit welchen Maßnahmen die Sanierung und nachhaltige Wärmeversorgung von Fachwerkhäusern gelingt, erfahren Sie in diesem Artikel.

Prof. Jan Büchsenschuss aus Wolfenbüttel brachte es ironisch auf den Punkt: „Wir sollten das möchten wollen!“ Sachlicher formuliert: Die historischen Innenstädte sind einerseits der Identifikationspunkt für alle Stadtbewohnenden, gleichzeitig sind die meisten froh, wenn sich andere um die Erhaltung des historischen Kerns kümmern. Wie kommen wir jetzt dennoch voran? Einige der Beiträge auf der Tagung gaben hierzu Anregungen. Wichtig ist, dass wir uns überhaupt auf den Weg begeben, nicht nur einzelne Gebäude mustergültig und zu hohen Kosten zu sanieren, sondern dass wir die Sanierung in die Breite bringen.

Matthias Mueller aus Stade schätzt, dass sich der Wärmebedarf der Häuser in der Innenstadt durch geringinvestive Maßnahmen um 14 % senken lässt. Und die Präsidentin der Niedersächsischen Denkmalschutzbehörde, Dr. Christine Krafczyk, sieht einige dieser geringinvestiven Maßnahmen aus der Sicht des Denkmalschutzes als wenig problematisch an. Liegt hier ein Weg, die ersten kostengünstigen Schritte zu tun? Könnten Hausbesitzende auch einige Arbeiten als Heimwerker erledigen? Nach dem Vorbild des Energie- und Umweltzentrums am Deister könnten Volkshochschulen in Fachwerkstädten Kurse zum „Selbst Sanieren“ anbieten, vielleicht auch in Kooperation mit Handwerksbetrieben.

Sanierung von Fachwerkgebäuden: Wie gelingt das?

KEAN-Mitarbeiter Gerhard Krenz brachte einige Maßnahmen in die Diskussion, mit denen sich der Sanierungsstau lösen lässt. Zu nennen ist hier insbesondere die diffusionsoffene Innendämmung mit Lehm und integrierter Wandheizung. Mit diesem für Fachwerkgebäude gut geeigneten Verfahren lassen sich nicht nur die Fassaden bauphysikalisch bestens dämmen. Gleichzeitig wird mit der Wandheizung die Heizfläche vergrößert, so dass die Vorlauftemperatur abgesenkt und das Gebäude effizient mit einer Wärmepumpe geheizt werden kann. Obendrein können mit dem geschickten Verlegen der Heizleitungen gefährdete Holzbauteile durch gezielte Temperierung geschützt werden.

Eine gute Lösung für Fachwerkbauten: Innendämmung mit Wandheizung. Quelle: WEM-KEAN

Die zweite Maßnahme zielt auf die Traufgassen zwischen den Gebäuden. Oft sind sie so schmal, dass man die Fassaden weder pflegen noch dämmen kann. Wie wäre es, wenn der Denkmalschutz es grundsätzlich zulassen würde, die Traufgassen konstruktiv mit einer umlaufenden gedämmten Konstruktion von der kalten Umgebungsluft zu verschließen? Die schmale Traufgasse würde mit geheizt, aber zwei problematische Fassaden je Traufgasse würden keine Wärme mehr verlieren. Die zu dämmende Fläche wäre auf ein Bruchteil reduziert. Dies wäre eine sehr energieeffiziente Lösung, die die Denkmäler und ihre Bausubstanz schützt und Energie spart.

Gerhard Krenz‘ dritter Vorschlag ist es, wieder offener mit lokaltypischem Behang umzugehen: Schiefer und geprägte Bleche im Harz, Sollingplatten im Weserbergland sowie Ton-Ziegel. Fachwerk wurde schon immer zumindest an der Wetterseite behangen. Innendämmung ist an Fachwerkhäusern an der Wetterseite oft nicht möglich, weil die Wände aufgrund höheren Feuchtigkeitseintrags von außen in die Konstruktion besonders gefährdet sind. Mit Behang funktioniert die Innendämmung hervorragend und sogar Außendämmung wäre hinter dem Behang möglich. Das Thema der historischen Wetterschutzschalen wird in einer Publikation des Niedersächsische Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) vertieft: „Schutz und Zierde – Historische Außenwandbehänge im südlichen Niedersachsen“.

Die Wärmeversorgung selbst erfolgt in Fachwerkstädten bestenfalls per Nah- oder Fernwärmenetz. Auch gemeinschaftlich betriebene Wärmepumpen sind zur Versorgung von Quartieren denkbar. Die Kommunale Wärmeplanung ist in diesem Kontext von besonderer Bedeutung, da sie Wärmequellen identifiziert, Potenziale ermittelt und so für Planungssicherheit sorgen kann. 

Schiefer als ortsüblicher Behang im Harz. Hinter dem Behang ist eine Außendämmung möglich. Bildquelle: Krenz

Wie kann die Förderung von Fachwerk-Sanierungen verbessert werden?

Ein möglichst breites Spektrum an bezahlbaren Sanierungsverfahren ist zwar hilfreich, aber insgesamt wird die Sanierung von Fachwerkgebäuden dennoch oft sehr teuer. Der Denkmalschützer Dirk Diekmann-Tirre aus Hameln wies sehr deutlich darauf hin, dass viele Aspekte der Gebäude- und Sanierungsförderung in Deutschland mit Blick auf Fachwerkstädte falsch aufgestellt sind und dringend der Revision bedürfen.

Das liegt zum Teil am relativ hohen Sanierungsbudget, das bereits für konstruktive Fachwerksanierungen benötigt wird, die die großen Schäden der Fehlsanierungen der letzten Jahrzehnte korrigieren müssen und kein Restbudget für die energetische Sanierung der Hülle lassen. In der Altstadt Hameln wird zur Energieeffizienz deshalb fast ausschließlich Anlagentechnik wie Solarthermie und Photovoltaik installiert aber keine energetisch optimierten Gebäudehüllen mit Wärmepumpentechnik.

 

Ein Stempel mit der Aufschrift "Fördermittel" steht auf verschiedenen Euro-Banknoten

Um die Sanierung von Fachwerkgebäuden zu fördern, sollte die Förderkulisse angepasst werden. Bild: adobestock, studio zwoelf

Die grundlegende Fördersystematik aller Programme fordert die Vorleistung und Vorfinanzierung der Denkmaleigentümer, die bereits daran scheitern, dass sich dadurch Finanzierungslücken zum eigenen verfügbaren Kapital auftun, die naturgemäß nicht mit Zwischenkrediten geschlossen werden können. Die wenigsten haben also ausreichend Eigenkapital für nachhaltige, vollumfängliche und energetische Fachwerksanierungen, also dem gewünschten Idealzustand für unsere Fachwerkinnenstädte.

Hemmnisse der aktuellen Förderkulisse: 

  • Auch das für viele Eigentümer attraktive schrittweise Vorgehen ist fördertechnisch schwierig, weil die Förderung eher auf ein systematisches „Durchsanieren“ setzt. Das aber können sich viele nicht leisten. Es ist zum Beispiel inzwischen sehr schwierig, über die Städtebauförderung Einzelmaßnahmen fördern zu lassen, weil vom Fördergeber und den Richtlinien inzwischen nur noch Gesamtmaßnahmen als nachhaltig betrachtet werden.
  • Ein weiterer wichtiger Punkt als Grundlage für Förderhöhen wäre die Bilanzierung des gesamten Lebenszyklus von jahrhundertealten Fachwerkgebäuden, beginnend mit der grauen Energie nach Herstellung, Bau, Betrieb und Rückbau in Relation zur Nutzungsdauer. Im BEG ist aber die Lebenszyklusbetrachtung für Bestandgebäude aktuell kein Förderkriterium. Es gibt nur Nachhaltigkeitskriterien für Neubauten. Das Gebäudeenergiegesetz schränkt noch mehr ein und legt den Fokus nur auf die energieeffiziente Betriebsphase. Somit gibt es keine gesetzliche Berücksichtigung und eine einseitige Benachteiligung für jahrhundertealte Fachwerkbauten aus ökologischen und wiederverwertbaren Baumaterialeien. Orientierung für gesetzliche Änderungen kann hier die sogenannte Lauenhäger Erklärung der Interessensgemeinschaft Bauernhaus zur Fachtagung Klima 2023 geben.
  • Komplexe Beantragungsverfahren schrecken sanierungsbereite Bauherren ab.
  • Die Förderlogik der energetischen Gebäude- und Stadtsanierung benötigt mit Blick auf die Fachwerkstädte daher dringend eine Überarbeitung, um in Zukunft wirksamer zu sein und die Klimaziele schneller zu erreichen. Ein solche Überarbeitung dürfte auch für zahlreiche Bestandsgebäude außerhalb von Fachwerkstädten neue Möglichkeiten schaffen.

Während der Stadtführung durch Wolfenbüttels historische Altstadt wurden die Herausforderungen vor Ort diskutiert.

Fazit: Insgesamt zeigte die Tagung, dass die Möglichkeiten der Wärmewende in Fachwerkstädten noch nicht voll erschlossen werden. Aus Kommunalen Wärmeplänen ergeben sich in den Maßnahmenpaketen neue Projekte auf Quartiersebene. Viele der in Arbeit befindlichen Pläne sehen Wärmenetze vor, für die es Fördermöglichkeiten nicht nur für Machbarkeitsstudien bedarf, sondern auch für den Bau von Leitungsnetzen und Anlagen zur Erzeugung klimaneutraler Wärme.

Weitere Informationen

➥ Die Beiträge der Tagung können hier eingesehen werden.

Kontakt

Dr. Jens Clausen

0179 928 51 71
jens.clausen [at] klimaschutz-niedersachsen.de

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