Bericht "Versorgungssicherheit Strom 2025"

Wie viel zusätzliche Kraftwerkskapazität braucht Deutschland bis 2035?

Derzeit gibt es Diskussionen, wie viel Kraftwerksleistung in Zukunft in Deutschland nötig sein wird. Einordnung bietet ein aktueller Bericht der Bundesnetzagentur, der untersucht, wie die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Ergebnis: Steuerbare Kraftwerke bleiben zur Deckung der Residuallast zwar unverzichtbar, der kontinuierliche Ausbau der Erneuerbaren und Flexibilitäten im Energiesystems reduzieren jedoch den Bedarf an zusätzlich nötiger Kraftwerksleistung.

Anfang September hat die Bundesnetzagentur den Bericht „Versorgungssicherheit Strom 2025“ veröffentlicht. Darin wird in zwei Szenarien untersucht, unter welchen Bedingungen die Versorgungssicherheit künftig gewährleistet werden kann: 

1. Zielszenario – Deutschland erreicht die angestrebten Ausbauziele für erneuerbare Energien sowie weitere Vorgaben, etwa den Kohleausstieg bis 2038. 

2. Verzögerte Energiewende – Der Ausbau erneuerbarer Energien und elektrischer Verbraucher verschiebt sich um zwei Jahre. Die Flexibilität im System ist nur halb so hoch wie im Zielszenario. 

Auf Grundlage dieser Annahmen lässt sich die Versorgungssicherheit in Deutschland nur sichern, wenn bis 2035 zusätzliche steuerbare Erzeugungskapazitäten - also flexible Kraftwerke - in einer Größenordnung von 22,4 (Zielszenario) bis 35,5 Gigawatt (verzögerte Energiewende) errichtet werden. Der Bedarf an zusätzlicher steuerbarer Kraftwerksleistung fällt umso geringer aus, je stärker sich die Entwicklung dem Zielszenario und speziell dem darin vorgesehenen Ausbau der Erneuerbaren annähert. 

Die derzeitige Kraftwerksleistung beträgt rund 265 Gigawatt, davon etwa 178 Gigawatt aus erneuerbaren Energien (siehe Abbildung). Ein Großteil dieser Kapazität entfällt auf Wind- und Solaranlagen, deren Erzeugung jedoch witterungsabhängig und somit nicht steuerbar ist. 

Aktuell wird die sogenannte Residuallast von fossilen Kraftwerken gedeckt. Perspektivisch müssen hierfür klimafreundliche Lösungen wie Wasserstoffkraftwerke zum Einsatz kommen. Aufgrund von Vorkettenemissionen und einer unvollständigen Abscheidung stellen  Gaskraftwerke in Kombination mit Carbon Capture und Storage (CCS) dabei keine klimafreundliche Alternative dar. Deshalb müssen neu aufzubauende Kapazitäten konsequent H2-Ready ausgelegt werden. 

Abbildung: Nettokraftwerksleistung in Deutschland. Quelle: Bundesnetzagentur; eigene Darstellung.


Darüber hinaus muss das Energiesystem künftig flexibler ausgestaltet werden, um die Einspeisung erneuerbarer Energien bestmöglich zu nutzen, sobald diese verfügbar sind. Wichtige Bausteine dafür sind unter anderem (Groß-)Batteriespeicher, Elektrolyseure, bidirektionales Laden von Elektrofahrzeugen, industrielle Flexibilitätsoptionen, intelligente Stromnetze sowie eine bedarfsorientierte regionale Stromerzeugung. 

In welcher Form alle verfügbaren Flexibilitätsmöglichkeiten in die Untersuchung zur Bestimmung des Bedarfs an steuerbarer Kraftwerksleistung eingeflossen sind, bleibt allerdings offen. So wurde beispielsweise die deutliche Nachfrage nach Netzanschlusskapazitäten für Großbatteriespeicher in dem Bericht nicht vollständig berücksichtigt, da diese erst nach Beginn der Untersuchung (Anfang 2024) einsetzte. 

Unabhängig von diesen methodischen Fragen wird deutlich, dass der schnelle und kontinuierliche Ausbau erneuerbarer Energien eine zentrale Voraussetzung für die Transformation des Energiesystems darstellt – auch wenn dies im Gegensatz zu den Schlüsselmaßnahmen des BMWE aus seinem Monitoringbericht steht. 

Fazit: Angesichts der wetterabhängigen Stromerzeugung aus Wind- und Solaranlagen bleibt die Bereitstellung steuerbarer Kapazitäten zur Deckung der Residuallast unverzichtbar. Was heute fossile Kraftwerke leisten, müssen künftig klimafreundliche Technologien wie Wasserstoffkraftwerke übernehmen. Dabei gilt: Bevor in großem Umfang neue steuerbare Kraftwerke errichtet werden, sollte der Ausbau erneuerbarer Energien konsequent vorangetrieben und das gesamte Potenzial an Flexibilitätsoptionen ausgeschöpft werden. 

Kontakt

Dr. Alexander Bedrunka

0151 619 872 56
alexander.bedrunka [at] klimaschutz-niedersachsen.de

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