Lebensphasenangepasstes Wohnen
Es braucht also Wohn- und Gebäudekonzepte, die auf die verschiedenen Lebensphasen abgestimmt sind. In städtischen Gebieten, wo viele Menschen in Mehrfamilienhäusern leben, sind andere Lösungen erforderlich als in Regionen mit vielen Einfamilienhäusern. Bei der gemeinsamen Veranstaltungsreihe „Grüner Montag“ der Architektenkammern Niedersachsen und Bremen und der KEAN wurden verschiedene Ansätze und Ideen hierzu vorgestellt und diskutiert.
Wohnkonzepte in städtischen Gebieten
Um ältere Menschen zum Umzug in kleinere Wohnungen zu motivieren, sollte es im gleichen Stadtviertel ein Angebot an erschwinglichen kleineren Wohnungen geben. Denn ein Problem ist häufig, dass sich der Umzug aus großen Wohnungen mit alten Mietverträgen in kleinere Wohnungen finanziell nicht lohnt. Quartiere brauchen eine Mischung aus verschiedenen Wohnungsgrößen, um für unterschiedliche Lebensphasen, passende Angebote im gewohnten Wohnumfeld zu schaffen. Bei der städtebaulichen Verdichtung im Quartier bietet es sich an, in den neu gebauten Gebäuden oder Gebäudeteilen barrierefreie kleine Wohnungen zu bauen, die attraktiv für das Wohnen im Alter sind, denn der barrierefreie Umbau im Wohnungsbestand ist meist mit hohem Aufwand verbunden.
Flexible Grundrisse, die spätere Umbauten ermöglichen, sind entscheidend. Um den individuellen Bedarf an Wohnraum zu senken, können außerdem für verschiedene Funktionen Gemeinschaftsflächen in Wohnblöcken angeboten werden: Zum Beispiel Gästewohnungen, Räume für Feiern, Dachterrassen, Werkstätten oder „Waschküchen“ für die Waschmaschinen. In der Praxis werden diese Angebote allerdings nicht immer in Anspruch genommen.
Wohnkonzepte im ländlichen Raum
In Gebieten mit vielen Einfamilienhäusern, die häufig in Privatbesitz sind, sind Lösungen für deren altersgerechten Umbau und die Anpassung an veränderte Bewohnerzahlen nötig. Neubauten sollten so geplant werden, dass eine spätere Aufteilung in mehrere Wohnungen möglich ist und ein möglicher späterer Umzug der Eltern mit bedacht wird.
Dazu sind Diskussionen mit den Bauherren über die Nutzungskonzepte für zukünftige Lebensphasen nötig, denn flexible Grundrisse sollten von Anfang an mitgeplant werden, um spätere Aufteilungen oder Zusammenlegungen von Räumen zu erleichtern. Das stellt besondere Herausforderungen an Statik und Brandschutz. Auch Versorgungsschächte müssen für eventuelle Anpassungen vorbereitet sein.
Um an der aktuellen Situation etwas zu ändern, sind aber besonders passende Wohnangebote für ältere Menschen nötig.
Interview: Gutes Wohnen im Alter – Kommunen spielen zentrale Rolle
Wir haben mit Andrea Beerli vom „Niedersachsenbüro - Neues Wohnen im Alter“ darüber gesprochen, welche Aspekte bei der Veränderung der Wohnsituation im Alter eine Rolle spielen, ob die Wohnfläche dabei von Bedeutung ist und welche Konzepte es für das passgenaue Wohnen im Alter gibt. Das Niedersachsenbüro Neues Wohnen im Alter ist eine vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen geförderte Beratungsstelle. Sie unterstützt Landkreise, Städte, Gemeinden und Private dabei, Angebote und Projekte zu entwickeln, die älteren Menschen ein längeres selbstständiges, selbstbestimmtes und sozial integriertes Wohnen ermöglichen.
KEAN: Frau Beerli, Sie beraten Kommunen und Privatleute, die sich Gedanken um das Wohnen im Alter machen. Was sind denn die Fragen, mit denen die Beratungssuchenden zu Ihnen kommen? Spielt die Größe der Wohnfläche nach Ihrer Erfahrung bei den Überlegungen eine Rolle?
Beerli: Kommunen erkennen, dass es Strukturen zwischen Einfamilienhaus und Pflegeheim geben sollte, z.B. organisierte Nachbarschaftshilfen, kleine barrierefreie Wohnungen, kleine Pflege-Wohn-Modelle. Aber auch Bausteine für mehr Miteinander im Ort wie etwa neue Begegnungsmöglichkeiten gegen die Einsamkeit im Ort, wenn der letzte Einkaufsladen zugemacht hat. Neben Menschen, die für sich selbst z.B. ein gemeinschaftliches Wohnprojekt suchen, beraten wir auch private InvestorInnen, die einen der oben genannten Bausteine umsetzen möchten. Bei uns fragen aber auch Wohnungsgesellschaften, VertreterInnen von Wohlfahrtsverbänden und Pflegediensten sowie PlanerInnen u.a. an.
Eine Verkleinerung der Wohnfläche ist meiner Erfahrung nach für die einzelne Person nicht unbedingt das Ziel, eher die Folge vom Umzug in ein durch Sanierung oder Neubau oft vergleichsweise teureres Wohnprojekt. Es gibt aber sehr viele Projekt-Initiativen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben und kleinere Wohnungsgrößen einplanen. Wohnprojekte ermöglichen grundsätzlich kleinere Wohnungen, da mit dem Gemeinschaftsraum und ggf. einem Gästezimmer gemeinschaftliche Flächen für die private Nutzung zur Verfügung stehen.
KEAN: Wann überwiegen Ihrer Erfahrung nach die Nachteile einer zu großen Wohnfläche, sodass Menschen handeln und sich verkleinern wollen?
Beerli: Sicherlich ist die größte Motivation, dass die körperlichen Kräfte nachlassen und es zunehmend schwieriger wird, sich angemessen um Haus und Hof zu kümmern. Wir haben in diesem Jahr zunehmend Anfragen von EigenheimbesitzerInnen, die eine kleine WG gründen möchten, um die Wohnfläche zu verkleinern und auch, um nicht allein zu sein. Auch der Wunsch nach Hilfe im Alltag spielt eine Rolle. Dazu gehört natürlich die Bereitschaft, sich im Alter mit manchmal zunächst fremden Menschen auseinanderzusetzen – das möchten nicht alle. Auch der Auszug als Alternative fällt nachvollziehbar vielen sehr schwer. Steht der Umzug in einen anderen Ort an, fallen zudem oft die so wichtigen sozialen Kontakte im gewohnten Umfeld komplett weg.
KEAN: Welche Lösungen empfehlen Sie, wenn es darum geht, selbstbestimmt, bezahlbar und dabei nicht zu groß zu wohnen? Bieten sich in der Stadt und auf dem Land unterschiedliche Lösungen an?
Beerli: Der Unterschied besteht meines Erachtens eher in der bisherigen Wohnform. Vorstellbar fällt es Menschen leichter, die bisherige Wohnung zu verlassen, wenn sie bisher gemietet haben. Wohnungs- und EigenheimbesitzerInnen fällt die emotionale Loslösung sicher schwerer. Beide Wohnformen gibt es in der Stadt und auf dem Land.
Das Niedersachenbüro unterstützt Kommunen und andere Akteure dabei, in lokalen Kooperationen Bausteine des Wohnens, der Pflege und der Nachbarschaft/Gemeinschaft zu realisieren und so zu verknüpfen, dass für alle Wechselfälle des Lebens die geeignete Wohnform sowie geeignete Teilhabemöglichkeiten zur Verfügung stehen. So entstehen dann z.B. barrierefreie Wohneinheiten, eine Tagespflege, eine kleine ambulant betreute Wohn-Pflege-Gemeinschaft oder ein neues Ortszentrum mit verschiedensten ortswichtigen Angeboten plus Veranstaltungsraum als öffentlicher Treffpunkt, z.B. mit Freizeit- und Bewegungs-Angeboten. Umfassende Beispiele hierfür lassen sich in Niedersachsen in Vrees, Ottenstein und Wahrenholz besichtigen.
KEAN: Welche Möglichkeiten sehen Sie, Menschen zu motivieren, den Schritt in eine neue oder angepasste Wohnung im Alter früher zu gehen?
Beerli: Als wichtigsten Punkt möchte ich hier nennen, dass die Kommune das Thema angeht und z.B. über Veranstaltungen, Workshops und Umfragen die Menschen informiert und deutlich macht, dass sie zur Unterstützung von lokalen Initiativen zur Verfügung stehen. Die kommunale Unterstützung wird natürlich je nach Finanzkraft sehr unterschiedlich aussehen – zentral ist eine Person in der Verwaltung als Anlaufstelle und dass BürgermeisterIn und Gemeinde- oder Stadtrat dahinterstehen. Ein gutes Beispiel für kommunale Unterstützung findet sich in der Samtgemeinde Isenbüttel. In Wahrenholz wurde das Projektkonzept sogar gemeinsam mit dem Bürgerverein erarbeitet.
KEAN: Spielt bei dem Wunsch, im Alter anders zu Wohnen auch der Aspekt der Vereinsamung eine Rolle und wird darüber offen gesprochen?
Beerli: Gerade bei den klassischen gemeinschaftlichen Wohnprojekten ist das die Hauptmotivation. Bei diesen Projekten finden sich Menschen zusammen, die nicht allein wohnen (und alt werden), sondern Freizeit teilen und sich im Alter gegenseitig unterstützen möchten. Sie realisieren die Projekte als Mietwohnprojekt, im Eigentum, als Genossenschaft oder in anderen Rechtsformen. Und sehr oft engagieren sie sich auch im Wohnumfeld. Bei den Projekten der Kommunen im ländlichen Raum stehen eher Motive der Daseinsvorsorge im Vordergrund, aber auch dazu gehört immer die Teilhabe.
KEAN: Der Teilverkauf von Einfamilienhäusern wird zunehmend beworben. Gibt es nach Ihrer Einschätzung Modelle, die für die Eigentümer eine sinnvolle Alternative darstellen?
Beerli: Zum Teilverkauf von Einfamilienhäusern kann ich nichts sagen, aber grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, das Haus mit anderen als Wohngemeinschaft zu nutzen oder – ggf. durch Umbau – eine zweite abgeschlossene Wohneinheit zu schaffen. Möglich sind auch Anbauten oder andere architektonische Lösungen. Dabei können die EigentümerInnen vermieten oder die alten und neuen BewohnerInnen entscheiden sich für Gemeinschaftseigentum in einer neuen Rechtsform. In Bremen ist z.B. eine kleine Genossenschaft, dieStadtWeltRaum eG, entstanden, sie hat 10 Wohneinheiten in zwei benachbarten Einfamilienhäusern realisiert.
Informationen zum gemeinschaftlichen Wohnen und zur Arbeit des Niedersachsenbüro finden Sie hier: https://win.fgw-ev.de/ und https://neues-wohnen-nds.de/neue-wohnformen-und-nachbarschaften/
Projekte, die den Verbleib im gewohnten Umfeld fördern (zuhause oder in neuen Wohnformen), finden Sie auf den Seiten des Niedersächsischen Förderprogramms Wohnen und Pflege im Alter.