Die Herausforderungen der deutschen Klimaziele sind groß: Bis zum Jahr 2045 sollen die Treibhausgasemissionen so weit gemindert, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird, nach dem Jahr 2050 sollen negative Treibhausgasemissionen erreicht werden. Aktuell gibt es zwei Strategien, die sich den so genannten schwer- bzw. unvermeidbaren Emission widmen - mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Im Februar 2024 wurde die erste Strategie veröffentlicht, die so genannte "Langfriststrategie Negativemissionen", die sich mit den „unvermeidbaren Restemissionen“ und ihrem Ausgleich durch Negativemissionen beschäftigt.

Die zweite ist die Carbon Management-Strategie (CMS), die auf die schwer oder nicht vermeidbaren Prozessemissionen der Industrie und Abfallwirtschaft abzielt. Am 29. Mai 2024 hat das Bundeskabinett nun die Eckpunkte für eine Carbon Management-Strategie und den Gesetzentwurf zur Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) beschlossen und macht damit den Weg in Deutschland frei, Anwendungen von CCS und CCU (carbon capture and utilization) sowie den Transport und die Offshore-Speicherung von CO₂ zu ermöglichen.

Die Eckpunkte der CMS zeigen die politischen Eckpfeiler für den Umgang mit CCS und CCU auf. Dieser Fokus ist wichtig, denn: Die CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) wird seit Jahren kontrovers diskutiert und ist in Niedersachsen und einigen anderen Bundesländern gar nicht zulässig. Meeresschutzgebiete werden von der CO₂-Speicherung generell ausgeschlossen. Mit dem Gesetzentwurf für eine Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) soll daher ein klarer Rechtsrahmen für den Aufbau einer CO₂-Pipelineinfrastruktur geschaffen und die Offshore-Speicherung von CO₂ ermöglicht werden.

Was sind „Carbon Capture and Utilization“ (CCU) und „Carbon Capture and Storage“ (CCS)?

Technologische CO2-Abscheidungs- und Entnahmemethoden stellen Verfahren dar, bei denen CO2 aus der Abluft oder den Prozessgasen der Energiewirtschaft oder Industrie mit unterschiedlichen technischen Methoden abgeschieden wird. Carbon Capture and Utilization (CCU) bezeichnet Abscheidung mit nachfolgender Nutzung des CO2 entweder zur Herstellung kohlenstoffhaltiger Produkte oder direkt, etwa in Gewächshäusern.

Carbon Capture and Storage (CCS) beschreibt die Abscheidung von CO2 in Verbindung mit der anschließenden dauerhaften (geologischen) Speicherung. Als Sammelbegriff wird die Bezeichnung CCU/S verwendet.

Abhängig von der Herkunft des CO2 (fossil/biogen/atmosphärisch), den damit einhergehenden Landnutzungsänderungen und seinem Verbleib (Nutzung oder Speicherung inklusive des Energieaufwands) sowie der Verweildauer können mit diesen Verfahren klimawirksame Negativemissionen, lediglich CO2-Vermeidungen oder möglicherweise auch eine nachteilige Klimaschutzwirkung erzielt werden.

Zwei Verfahren, mittels derer nach der Entnahme aus der Atmosphäre eine dauerhafte Speicherung sichergestellt werden kann und somit negative Emissionen erreicht werden können, sind Bioenergy with Carbon Capture Storage (BECCS) und Direct Air Capture (DAC) Verfahren. BECCS bezeichnet die Anwendung von CCS an in Anlagen mit einer Verwendung biogener Energieträger. Bei DACCS Verfahren wird CO2 nicht aus Punktquellen abgeschieden, sondern direkt der Atmosphäre entzogen. Maßnahmen, die der Atmosphäre durch CO2 -Entnahme und dauerhafte Speicherung netto CO2 entziehen, werden unter dem Begriff Carbon Dioxide Removal (CDR) zusammengefasst.

Die Rolle von CCS für den Klimaschutz

Um die Rolle von CO2-Abscheidungs- und Entnahmemethoden (CCS) für den Klimaschutz abzuschätzen, wurden für den Evaluierungsbericht zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz mehrere Studien aus dem Jahr 2021 ausgewertet, in denen das Ziel Treibhausgasneutralität bis 2045 bzw. 2050 modelliert wurde. Alle sechs untersuchten Szenarien benötigen für die Erreichung von Treibhausneutralität den Einsatz von CCS von v.a. nicht bzw. schwer vermeidbaren Prozessemissionen im Industriesektor. Zudem zeigen die Studien den Bedarf auf, über zusätzliche Negativemissionen verbleibende Residualemissionen insbesondere aus der Landwirtschaft auszugleichen.

Die RESCUE-Studie des UBA aus dem Jahr 2019 zeigt einen Weg zu Netto-Null ohne CCS-Technologien auf. Diese unterscheidet sich von den anderen Studien in optimistischen Annahmen zur CO2-Entnahme durch natürliche Ökosysteme, deutlich verringerte Residualemissionen aus der Landwirtschaft und in der Industrie sowie ausgeprägten Verhaltensänderungen und Suffizienzmaßnahmen (bspw. deutliche Reduktion des Konsums tierischer Produkte und Zementverbrauchs). Die Autoren der nationalen Klimaneutralitätsstudien weisen auf die hohe Unsicherheit des Beitrags der natürlichen Ökosysteme hin und plädieren für einen zeitnahen Hochlauf von CCS und CCU (Carbon Capture and Utilization), um eine sichere Zielerreichung zu gewährleisten.

Einsatz von CCU im treibhausgasneutralen Wirtschaftssystem

Der noch bestehende Kohlenstoffbedarf der Industrie kann zudem eine Chance darstellen, CO2 zu neutralisieren. Da der Bedarf an CO2 nicht ausschließlich über Recycling bereitgestellt werden kann, wird den betrachteten Studien zufolge langfristig der Einsatz von atmosphärischem und biogenem CO2 für CCU-Verfahren benötigt. Gerade die Chemieindustrie wird weiterhin auf Kohlenstoff als Basis wichtiger Grundchemikalien angewiesen sein, der in großen Teilen über CCU-Verfahren bereitgestellt werden kann.

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Fazit

Der überwiegende Teil der Klimawissenschaftler hält den Einsatz von CCS für unvermeidbar. Die Umweltverbände warnen vor den Umweltauswirkungen, die Lecks bspw. unter der Nordsee verursachen könnten und verweisen auf unzureichende Erforschung der Langezeitgefahren. Zudem darf der Einsatz nicht dazu führen, dass der Transformationsdruck für die Industrie sinkt, da sie die Emissionen durch Speicherung reduzieren können.

Es muss die oberste Priorität bleiben, Emissionen zu vermeiden und zu mindern sowie die Energieeffizienz zu steigern. Zentrales Element ist die Dekarbonisierung. Hierfür sind der beschleunigte und massive Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Transformation unserer Energie- und Wärmeversorgung sowie unserer Unternehmen und die Steigerung der Effizienz v.a. der Gebäude unerlässlich, um die Nutzung fossiler Energieträger zu beenden. Die Carbon Management-Strategie konzentriert sich vor allem auf die schwer- bzw. unvermeidbaren Emissionen, die vor allem bei der Kalk- und Zementproduktion sowie bei der Abfallverbrennung entstehen. Aufgrund fehlender Förderungen für Verstromungsanlagen, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden (insb. Gaskraftwerke), wird der Anteil von CCS in der Stromerzeugung voraussichtlich einen geringen Anteil einnehmen.

Kontakt

Dr. Alexander Bedrunka

0511 89 70 39-18
alexander.bedrunka [at] klimaschutz-niedersachsen.de

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