- Arbeitsfelder
- Themen
- Energieberatung
- Förderprogramme
- Gesetze + Normen
- Aus der Praxis
- Aktuelles
- Veranstaltungen
- Über uns
Strom dann verbrauchen, wenn die Strompreise besonders günstig sind? Das ist mit dynamischen Stromtarifen möglich. Ab 2025 sind Energieversorger verpflichtet, dynamische Stromtarife auch für Privatkunden anzubieten. Doch wie funktionieren die Tarife? Welche Voraussetzungen gibt es und für wen lohnen sich die Tarife? Wir geben auf dieser Seite einen Überblick.
Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien und insbesondere aus der Photovoltaik schwankt im Jahres- aber auch im Tagesverlauf teils stark. Während z.B. im Sommer zur Mittagszeit besonders viel erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, kann dies in den Abendstunden und in der dunklen Jahreszeit anders sein. Ähnlich sieht es bei der Nachfrage nach Strom aus: Während in den Morgen- und Abendstunden der Strombedarf in der Regel besonders hoch ist, ist die Nachfrage nachts, in den Mittagsstunden und am Wochenende deutlich geringer.
Mit der schwankenden Stromerzeugung und -Nachfrage schwanken auch die Preise an den Strommärkten, genauer gesagt den Spot-Märkten, die den aktuellen börsengehandelten Strompreis widerspiegeln. Je größer die erneuerbare Stromerzeugung ist, desto niedriger sind im Allgemeinen auch die Preise an den Spotmärkten: Angebot und Nachfrage eben.
Derzeit sind die meisten Privatkunden über diese Preisschwankungen jedoch gar nicht im Bilde, da sie einen Fixpreis je Kilowattstunden zahlen, der nur gelegentlich von den Stromversorgern angepasst wird. Privatleute haben somit die Sicherheit eines fixen Strompreises – gleichzeitig aber auch kaum Möglichkeiten, von den teils sehr niedrigen Strompreisen zu profitieren, die am Markt herrschen – und die im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren immer häufiger auftreten werden.
Dynamische Stromtarife sollen dies ändern, indem der tatsächliche Stromverbrauch im eigenen Haushalt regelmäßig gemessen und mit den aktuellen Strompreisen (meist stündlich) an der Börse abgerechnet wird. Dieser Börsenstrompreis ändert sich – je nach verfügbarem Angebot und Nachfrage – mehrmals täglich, wodurch Nutzerinnen und Nutzer einen ökonomischen Anreiz haben, ihren Stromverbrauch zu "timen" und Strom dann zu verbrauchen, wenn er reichlich vorhanden und damit günstig ist.
Wie übliche Stromtarife haben auch dynamische Tarife einen festen Grundpreis. Der Arbeitspreis hingegen ist veränderlich und richtet sich nach dem aktuellen Börsenpreis. Dieser ändert sich bei den meisten Anbietern stündlich und wird in der Regel 24 Stunden zuvor über die Website der Stromversorger oder eine App bekanntgegeben, sodass der Verbrauch entsprechend vorgeplant werden kann. Der Preis wird an den Strombörsen in €/MWh angegeben. Liegt der Strompreis an den Börsen also bei 100€/MWh liegt der Preis pro Kilowattstunde in dem Fall bei 10 Cent.
Zu bedenken ist jedoch: Selbst wenn der Arbeitspreis an den Strombörsen bei Null liegt oder gar negativ ist, gibt es weiterhin Kosten – nämlich neben der Grundgebühr auch Netzentgelte, Umlagen und Steuern, die weiterhin anfallen. Es gibt also immer einen Sockelbetrag von bis zu 16 Cent pro Kilowattstunde, der unabhängig vom Arbeitspreis zu zahlen ist.
Dynamische Stromtarife können dazu beitragen, Erzeugungsspitzen im Stromnetz zu glätten. Wenn z.B. an einem Sommertag in den Mittagsstunden eine hohe erneuerbare Stromerzeugung herrscht, sind auch die Preise an den Strombörsen entsprechend niedrig. Nutzerinnen und Nutzer von dynamischen Stromtarifen haben hier einen besonderen Anreiz, z.B. die Waschmaschine zu nutzen – oder gar das E-Auto oder den Batteriespeicher mit günstigem Strom aus dem Netz zu laden.
Dynamische Stromtarife könnten aufgrund dieser veränderten Stromabnahme dafür sorgen, dass Stromangebot und -nachfrage besser aufeinander abgestimmt werden. Besonders vor dem Hintergrund eines steigenden Anteils von erneuerbaren Energien kann dies ein wichtiger Faktor für die Stabilität der Stromnetze sein.
Mit Blick auf das lokale Verteilnetz muss jedoch beobachtet werden, inwieweit die bundesweiten Börsenpreise die Verhältnisse Vor-Ort widerspiegeln. Herrscht beispielsweise an der Nordsee aufgrund von guten Windverhältnissen eine hohe erneuerbare Energieerzeugung, reduziert dies auch den aktuellen Börsenstrompreis in anderen Regionen Deutschlands, auch wenn in den dortigen lokalen Verteilnetzen ggf. gar kein hoher Anteil Erneuerbarer eingespeist wird. Hierdurch könnte sich die Belastung einzelner lokaler Netze durch die dynamischen Tarife durchaus auch erhöhen. Dem Netzausbau auf verschiedenen Ebenen und dem flächendeckenden Ausbau der Erneuerbaren kommt daher auch in dieser Hinsicht eine wichtige Bedeutung zu.
Das Modell lohnt sich insbesondere für Endverbraucher:innen, die ihren Stromverbrauch besonders flexibel steuern können – und größere Energieverbraucher wie ein Elektroauto oder eine Wärmepumpe in ihrem Haushalt haben. Personen, die bspw. eine Solaranlage auf dem Dach und einen Batteriespeicher installiert haben, können hier sehr flexibel auf den aktuellen Strompreis reagieren und in Zeiten hoher Strompreise (häufig in den Morgen- und Abendstunden) den im Batteriespeicher gespeicherten Strom im Haushalt nutzen und in Zeiten günstiger Preise Strom aus dem Netz beziehen. Auch Smart-Home-Technologien können dabei helfen, den Stromverbrauch zu steuern und auf den aktuellen Strompreis abzustimmen.
Für Haushalte, die ohnehin wenig Strom verbrauchen, lohnt sich ein Wechsel zu einem dynamischen Stromtarif hingegen in der Regel nicht.
Doch wie sieht der Preisverlauf an den Strombörsen typischerweise aus? Gibt es Zeitfenster, in denen regelmäßig günstige Preise herrschen? Und wie ist die Preisentwicklung während der sogenannten „Dunkelflaute“, in der nur wenig erneuerbarer Strom zur Verfügung steht? Um ein Bild über typische Muster zu bekommen, haben wir die Realdaten der EPEX (Strombörse) analysiert.
Zunächst haben wir den Blick auf einen längeren Zeitraum geworfen, um hieraus möglichst allgemeingültige Aussagen ableiten zu können. Hierzu haben wir die Börsenstrompreise an der EPEX Spot analysiert, die im Tagesverlauf von Januar bis Oktober durchschnittlich geherrscht haben.
Darstellung: KEAN, Datenquelle: EPEX Spot (siehe Netztransparenz.de)
In der Grafik kann man erkennen, dass der Strompreis in den Morgen- und Abendstunden durchschnittlich am teuersten ist. Wer also keine Möglichkeit hat, den Großteil des Stromverbrauchs in die Zeiten mit geringen Börsenpreisen – also auf den Mittag oder in die Nacht zu legen, wird wahrscheinlich keinen Vorteil von den dynamischen Stromtarifen haben. Durchschnittlich betrug der Börsenstrompreis zwischen Januar und Oktober 7,31ct/kWh.
Darüber hinaus haben wir die bisherige Heizperiode des Jahres 2024 (also von Anfang Januar bis Ende März) analysiert. Dabei ergibt sich gar ein durchschnittlicher Spotmarktpreis von nur 6,77ct je Kilowattstunde - aufgrund einer hohen Stromerzeugung aus der Windkraft zu Beginn des Jahres. Auch in diesem Zeitraum ist das Muster wiederzuerkennen, dass zur Mittagszeit und in den Nachtstunden günstigere Preise herrschen als in den Morgen- und Abendstunden. Die Differenz ist dabei allerdings nicht ganz so groß wie im weiteren Jahresverlauf, da die Solarenergie in den Wintermonaten eine geringere Rolle einnimmt.
Darstellung: KEAN, Datenquelle: EPEX Spot (siehe Netztransparenz.de)
Doch wie sieht es in Zeiten der sogenannten „Dunkelflaute“ aus; die Zeit also, in der weder viel Wind- noch Solarstrom zur Verfügung steht? Anfang November 2024 gab es eine solche Phase, in der weder die Wind- noch die Solarkraft einen großen Beitrag zur Stromerzeugung geleistet hat.
Das Modell unten zeigt, dass das übliche Muster an Tagen der Dunkelflaute (hier am 06. November 2024) ebenfalls auftritt – die Preisunterschiede jedoch deutlich größer ausfallen. So gab es im Tagesverlauf einen Durchschnittspreis von rund 23,5 Cent pro Kilowattstunde, der jedoch insbesondere aufgrund der sehr hohen Werte in den Abendstunden zustande kam. Hier gab es teils Preise von mehr als 80 Cent pro Kilowattstunde – es gab jedoch im Laufe des Tages zahlreiche Zeiträume, in denen der Börsenstrompreis deutlich geringer bei rund 10 -15 Cent je Kilowattstunde lag.
Das Beispiel zeigt gut, für wen sich die dynamischen Stromtarife wirklich anbieten: Nämlich für Haushalte, die den Verbrauch auf die „günstigen“ Zeiträume auslagern und bestenfalls zu den „teuren“ Zeiträumen weitestgehend vermeiden können; z.B. weil in dieser Zeit der zuvor geladene Batteriespeicher genutzt wird.
Wesentlich für die Umsetzung in Privathaushalten ist die regelmäßige Messung des aktuellen Stromverbrauchs. Hierzu brauchen Interessierte ein Smart Meter, das regelmäßig die Verbrauchsdaten erfasst und ein Smart Meter Gateway – das Kommunikationsmodul, das die Verbrauchsdaten an den Messstellenbetreiber sendet.
Ab dem 1. Januar 2025 können grundsätzlich alle Haushalte den Einbau eines Smart-Meters bei einem Messstellenbetreiber (z.B. das örtliche Stadtwerk) anfordern. Für Haushalte mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 6000 Kilowattstunden wird der Einbau der intelligenten Messsysteme sogar zur Pflicht. Diese Pflicht gilt im Übrigen ab 2025 auch für Haushalte mit einer PV-Anlage mit mehr als 7 kW Leistung oder mit einer steuerbaren Verbrauchseinheit wie Wärmepumpen und Wallboxen für E-Autos.
Der Pflichteinbau von Smart Metern ist in der Regel kostenfrei – jedoch fallen pro Jahr laufende Betriebskosten an. Diese sind für Haushalte mit einem Jahresverbrauch zwischen 6000 und 10.000 kWh auf maximal 20 Euro pro Jahr gedeckelt (Stand November 2024). Wer sich freiwillig für den Einbau eines Smart Meters entscheidet, muss hierfür derzeit einmalig bis zu 30 Euro an den Messstellenbetreiber zahlen. Aktuell gibt es jedoch einen Gesetzesentwurf, der ggf. Änderungen bei den Kosten umfasst (siehe den folgenden Beitrag). Sobald hier eine Änderung beschlossen wurde, werden wir darüber informieren.
Unter Umständen könnte darüber hinaus die Erweiterung oder der Austausch des Zählerschranks nötig sein – wodurch Kosten von bis zu 2000 Euro anfallen könnten.
Wie beschrieben lohnen sich die dynamischen Stromtarife insbesondere für Personen, die flexible und große Stromverbraucher im Haushalt haben. Personen, die ohnehin einen niedrigen Stromverbrauch haben, sollten lieber in üblichen Stromtarifen bleiben, da sich der Stromverbrauch bei üblichen Haushaltsgeräten wie dem Kühlschrank oder dem Ofen nicht allzu flexibel gestalten lässt. Darüber hinaus gehen mit der Nutzung dynamischer Stromtarife ggf. weitere Fixkosten vonseiten der Messstellenbetreiber einher, z.B. für den Einkauf an den Strombörsen oder Messstellengebühren. Hier sollte zuvor kalkuliert werden, ob die Fixkosten eine mögliche Ersparnis nicht schon übersteigen.
Außerdem muss bedacht werden, dass es am Strommarkt auch zu Preisschocks kommen kann – so wie zuletzt z.B. im Zuge der Energiekrise. Dynamische Stromtarife lassen sich zwar in der Regel schnell kündigen (dies sollte bei Vertragsabschluss geprüft werden), doch besteht das Risiko, dass nur ein Wechsel in einen eher teureren Tarif möglich ist.
Laut einer Forsa-Befragung im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) würde für 72 Prozent der Befragten eine zusätzliche Absicherung gegen starke Preissteigerungen dynamische Stromtarife deutlich oder zumindest etwas attraktiver machen.
Dynamische Stromtarife können für bestimmte Verbraucher:innen zu spürbaren Kostenersparnissen führen. Haushalte, die besonders flexibel hinsichtlich der Stromnutzung sind und größere Verbraucher wie eine Wärmepumpe oder ein E-Auto zur Verfügung haben, können mit der richtigen Herangehensweise Geld sparen. Zu bedenken ist jedoch, dass das Modell mit einem gewissen Risiko einhergeht, da es zu Preisschocks an den Strombörsen kommen kann. Eine Preisabsicherung könnte daher dafür sorgen, dass dynamische Stromtarife für noch mehr Menschen zu einer echten Option werden. Für Haushalte, die keinen großen Stromverbrauch haben und nur einen kleinen Teil davon zeitlich verlagern können, ist der übliche Stromtarif in der Regel die bessere Wahl.
Bei der Entscheidung darüber, ob sich ein dynamischer Stromtarif lohnt, ist es hilfreich, das eigene Verbrauchsprofil zu analysieren:
Anhand dieser Überlegungen kann der eine Preisvorteil eingeschätzt werden: Wie viel Stromverbrauch kann in Zeiten mit voraussichtlich niedrigeren Preisen gelegt werden?
Sollte sich ein dynamischer Stromtarif lohnen, müssen die technischen Voraussetzungen gegeben sein:
Bei der Wahl des Anbieters und Tarifs können folgende Kriterien helfen:
Jörg Rettig
0511 89 70 39-30
joerg.rettig [at] klimaschutz-niedersachsen.de