Für die industrielle Wärmewende

Erneuerbare Prozessewärme

Dem Industriesektor sind gut 30 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs zuzuschreiben – 68 Prozent (451 TWh) hiervon werden für Prozesswärme benötigt. Diese wird derzeit noch mehrheitlich aus fossilen Energieträgern erzeugt. Die Umstellung auf klimafreundliche Alternativen ist also Voraussetzung, um die Klimaschutzziele zu erreichen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und somit den Industriestandort Deutschland zu stärken.

Industrielle Fertigungsprozesse sind von hohen Wärmebedarfen geprägt. Dementsprechend werden etwa 20 Prozent des deutschen Endenergiebedarfs für industrielle Prozesswärme eingesetzt. Erdgas ist für die Erzeugung von Prozesswärme aktuell der mit Abstand wichtigste Energieträger, während erneuerbare Energien lediglich vereinzelt genutzt werden (rund 7 Prozent). Ein Großteil der Treibhausgasemissionen des Industriesektors entfällt folglich auf die Prozesswärme.

Endenergieverbrauch in Deutschland nach Anwendungsbereich und Verbrauchssektoren

Darum geht's

Unternehmen stehen bei der Umstellung hin zur klimafreundlichen Prozesswärme vor komplexen Herausforderungen. Hemmnisse sind u. a. hohe Strompreise im Verhältnis zu den Gas- und Kohlepreisen, wodurch die notwendige Wirtschaftlichkeit von Investitionen oftmals nicht gegeben ist. Dazu kommen Unsicherheiten über technologische Prozessanforderungen. Dies liegt an der großen Vielfalt verschiedenster Wärmeanwendungen und Temperaturbereiche von z. T. über 1.000 °C und hohen Energiedichten.

Die Vielzahl von Wärmeanwendungen in den nächsten Jahrzehnten schrittweise umzurüsten, stellt eine große Chance für den Industriestandort Deutschland mit seinem Maschinen- und Anlagenbau dar. Es gilt, dass sich Ausrüster und Anwender zusammenfinden, um neue Anwendungen zu erproben und Technologien zur Marktreife zu führen. Dazu können auch Kooperationen zwischen Unternehmen und Wissenschaft beitragen.

Prozesswärme - Was ist das?

Bei Prozesswärme (und -kälte) handelt es sich um Wärme, die für eine Vielzahl industrieller Prozesse, wie Herstellung, Weiterverarbeitung und Veredelung, verwendet wird. Beispiele hierfür sind Trocknung, Formgebung oder Dampferzeugung. Üblicherweise wird nach Temperaturniveaus in Nieder- (bis 500 °C), Mittel- (bis 1.000 °C) und Hochtemperaturprozessen (ab 1.000 °C) differenziert. Bei diesen Prozessen fällt oftmals auch Abwärme an, die es zu nutzen gilt.

Energieeffizienz in Wärmeprozesse

Bevor sich Unternehmen mit der Umstellung auf erneuerbare Wärmequellen beschäftigen, sollte zuerst geprüft werden, ob Effizienzpotenziale gehoben werden können. Dabei ist auch der Lebenszyklus der betrachteten Anlagen zu berücksichtigen. Häufig lohnt es sich, ältere Anlagen gleich zu ersetzen und dabei auf Erneuerbare umzustellen. Ist dies jedoch keine Option, sollte der Betrieb optimiert werden.

Ein probates Mittel, um Wärmeverluste zu vermeiden, ist die Dämmung von Anlagen und Rohrleitungen. Zudem bietet sich an, zu prüfen, ob die Prozesstemperatur optimal eingestellt ist oder minimiert werden kann. Bei Industrieöfen führt beispielsweise eine Modernisierung der Brennertechnik zu Einsparungen. Weitere Möglichkeiten zeigt unser Faktenblatt Industrieöfen auf. Wie Effizienzmaßnahmen in Thermoprozessanlagen und Trocknungsprozessen geplant und umgesetzt werden können, zeigt der Vortrag von Dr.-Ing. Jens Strack

Bei einer Vielzahl von Prozessen entsteht jedoch auch nach der Hebung aller Effizienzpotenziale Abwärme. Diese sollte genutzt werden. Möglichkeiten der Abwärmenutzung werden auf unserer Themenseite vorgestellt.

Elektrifizierung, Wasserstoff und Co. anstelle fossiler Energieträger

Innerhalb jeder Branche und innerhalb der verschiedenen Prozesse benötigen Unternehmen für ihre Wärmeversorgung unterschiedliche Temperaturniveaus. In Zukunft müssen zunehmend erneuerbare Energiequellen und Technologien für die Wärmebereitstellung mitgedacht und eingesetzt werden.

Erzielbare Temperaturen auf Basis erneuerbarer Energien in NRW und potenzielle industrielle Anwendungen.

Bereitstellung erneuerbarer Prozesswärme
Elektrifizierung / grüner Strom

Generell gilt, dass wenn eine Elektrifizierung der Wärmeanwendungen möglich ist, diese zumeist vorteilhaft gegenüber der Verwendung von grünem, also mit erneuerbaren Energien erzeugtem Wasserstoff ist. Dies begründet sich vor allem in der künftigen Verfügbarkeit von Wasserstoff und dessen Kosten, der notwendigen Infrastruktur und dem geringeren Gesamtwirkungsgrad. Die elektrische Wärmeerzeugung mit erneuerbarem Strom bietet neben Effizienz- häufig auch Kostenvorteile. Wärmeprozesse mit vergleichsweise niedrigen Temperaturen oder geringen Produktionskapazitäten sollten generell eher elektrifiziert werden. Direktelektrische Verfahren/Technologien sind neben Großwärmepumpen und Elektrodenkesseln auch induktives Erwärmen und Schmelzen, Lichtbogen-, Laserstrahl- oder auch Infraroterwärmung. Entsprechende Technologien eignen sich also für eine sehr breite Palette der Anwendungen.

➧ Tool: Transformationskostenrechner Power-2-Heat von Agora Industrie

Grüner Wasserstoff und seine Derivate

Bei gasbefeuerten Industrieprozessen, die eine sehr hohe Energiedichte erfordern, wie z. B. in der Mineralindustrie, kann der Einsatz von grünem Wasserstoff gegenüber Strom vorteilhaft sein. Wie eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt, ist die direkte Elektrifizierung hier häufig technisch noch nicht ausgereift oder erfordert erhebliche Umbauten der bestehenden Anlagen. 

Geothermie

Die Geothermie ist eine grundlastfähige Wärmequelle. Mit zunehmender Tiefe können wärmere Temperaturen erreicht werden. Mittels (Groß-)Wärmepumpen kann diese Umgebungswärme erschlossen werden. Mehr dazu: Wärmepumpen in Gewerbe und Industrie - Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (klimaschutz-niedersachsen.de)

➧ Hilfestellungen zur Nutzung von Geothermie bietet das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG): Downloadbereich Geothermie | LBEG.

Solarthermie

Auch Solarthermie kann einen wichtigen Anteil zur Substitution fossiler Energieträger zur Bereitstellung von Prozesswärme leisten, wobei Solarthermie stets als Fuel Saver eingesetzt wird und sich somit insbesondere für hybride Lösungen eignet. Thermische Solaranlagen werden in aller Regel mit einem großen Wärmespeicher betrieben. Die Einsatzmöglichkeiten solarer Prozesswärme sind sehr vielfältig. Solarthermie eignet sich vor allem für Wärmeanwendungen mit kontinuierlichem Wärmebedarf von unter 100 °C (siehe Grafik, Quelle Uni Kassel). Konzentrierte Solarthermie kann zudem Wärme von bis zu 220 °C bereitstellen. 

➧ Tool: Vorauslegung Solaranlage - Solare Prozesswärme der Uni Kassel

➧ Die Uni Kassel hat typische potenzielle Fehlerquellen bei der Planung und Umsetzung solarer Prozesswärmeanlagen zusammengefasst: Potenzielle Fehlerquellen.

Biomasse

Eine weitere (wertvolle und speicherbare) Energiequelle für die Prozesswärmeerzeugung ist Biomasse. Sie kann z. B. in Form von Holzpellets, Hackschnitzeln oder Biogas eingesetzt werden. Da es sich bei Biomasse um eine limitierte Ressource handelt, ist ein gezielter und effizienter Einsatz erforderlich.

➥ Entscheidend für die erneuerbare Prozesswärmebereitstellung ist neben prozessspezifischen Anforderungen auch der Standort. So sind zum Beispiel die vorhandene oder geplante maximale elektrische Anschlussleistung an das öffentliche Stromnetz als auch eine mögliche Nähe zur geplanten Wasserstoffinfrastruktur von Bedeutung.

Faktenblätter

Technologien zur Dekarbonisierung der Prozesswärme

Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Institut für Industrieofenbau und Wärmetechnik (IOB) der RWTH Aachen University drei Faktenblätter über die Bereitstellung von erneuerbarer Prozesswärme erstellt, die sich weit verbreiteten Wärmeanwendungen im Bereich der Dampferzeugung sowie der Umformtechnik und industriellen Trocknung widmen.

Der Fokus liegt auf der großen Bandbreite gängiger Prozesse und Verfahren, vor allem in der mittelständischen Wirtschaft. Die Faktenblätter bieten Unternehmen und Multiplikatoren einen übersichtlichen Einstieg ins Thema und beleuchten CO2-arme Technologien der Prozesswärmebereitstellung.

Veranstaltungsreihe "Erneuerbare Prozesswärme"

Im September 2024 haben wir eine Veranstaltungsreihe zum Thema Erneuerbare Prozesswärme durchgeführt. Die Veranstaltungsfolien zu den jeweiligen Terminen finden Sie unten zum Download.

Zusammenfassung und weitere Informationen

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass technisch eine CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung schon heute realisierbar ist. Nötig ist in jedem Fall eine individuelle Betrachtung der Prozesse unter Berücksichtigung der Standortbedingungen, der Netzinfrastruktur und der produktionsspezifischen Anforderungen an die Wärmeversorgung.

Allgemein muss unter Berücksichtigung der Effizienz und der Kosten abgewogen werden, welche Technologie(-kombination) sinnvollerweise zum Einsatz kommen sollte. Im Regelfall stellt die Elektrifizierung die langfristig effizientere und daher sinnvollere Option dar. Die Substitution des Erdgases durch grünen Wasserstoff oder auch eine hybride Lösung können jedoch in Einzelfällen (z. B. schwer elektrifizierbare Hoch- und Höchsttemperaturanwendungen > z.B. Projekt SALCOS der Salzgitter AG) gesamtsystematisch vorteilhafter sein.

Hilfestellungen 

  • Die Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit hat in ihrer „Transformationsstudie zur Dekarbonisierung der niedersächsischen Wirtschaft“ Branchensteckbriefe zu niedersächsischen Leitbranchen veröffentlicht. Diese bieten Unternehmen und deren Verbänden einen Einstieg in die wesentlichen Handlungsfelder.
  • Unternehmen, die tiefer in den Prozess einsteigen wollen, erhalten detailreiche technologische und ökonomische Informationen in der Studie „CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung“ des Umweltbundesamts.
  • Auch die Agentur energy4climate.nrw hat eine Hilfestellung „Mit Strategie zur klimaneutralen Prozesswärme“ veröffentlicht, an der sich Unternehmen im Planungsprozess orientieren können.

Kontakt

Ann Kruse

0511 89 70 39-41
ann.kruse [at] klimaschutz-niedersachsen.de

Kontakt

Neele Birnbaum

0511 89 70 39-19
neele.birnbaum [at] klimaschutz-niedersachsen.de

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