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In einem Policy Paper untersuchen die Scientists for Future im Auftrag des UBA und des BMUV, welche Rolle Wärmenetze bei der klimaneutralen Wärmeversorgung spielen können. Neben den Vorteilen von Wärmenetzen werden auch Voraussetzungen und Grenzen für den Einsatz dieser Technologie verdeutlicht sowie Möglichkeiten benannt, wie der Aus- und Neubau von Wärmenetzen unterstützt werden kann.
Wärmeanwendungen sind für einen großen Teil der Endenergieverbräuche und der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich. Dessen ungeachtet werden große Teile der benötigten Wärme in Deutschland weiterhin fossil bereitgestellt. Mit Blick auf Niedersachsen und Deutschland ist daher festzuhalten: Um unsere Klimaziele einzuhalten, muss die Wärmewende deutlich mehr Fahrt aufnehmen! Das Policy Paper der Scientists for Future leistet daher einen wichtigen Beitrag zur Information von KommunalpolitikerInnen, Kommunalen Mitarbeitenden und anderen Interessierten.
Eine Vielzahl unterschiedlicher wissenschaftlicher Studien unterstreicht die zentrale Rolle von Wärmenetzen für die Wärmewende. Und auch auf bundes- und kommunalpolitischer Ebene wurde die Bedeutung von Wärmenetzen für das Gelingen der Wärmewende erkannt. Vorteile dieser Technologie sind dabei unter anderem, dass vor allem hoch verdichtete Stadtkerne durch Wärmenetze klimaneutral versorgt werden können.
Zudem können durch Wärmenetze sonst ungenutzte Wärmepotenziale (Abwärme, tiefe Geothermie etc.) und niedertemperierte Wärmequellen (Umweltwärme, Abwärme aus Kanalisationsabwässern, etc.) erschlossen werden (sogenannte „kalte Wärmenetze"). Durch die Nutzung dieser nicht fossilen Wärmequellen und die Diversifizierung des Wärmebezugs können Wärmenetze zudem geringere und stabilere Kosten als bei rein fossiler Wärmebereitstellung gewährleisten.
Andererseits ist der Aus- und Neubau von Wärmenetzen nicht zwangsläufig ein Synonym für eine erfolgreiche und sozialverträgliche Wärmewende. So sind auch bei der Tagesschau hohe Kosten für den Wärmebezug aus Wärmenetzen ein Thema. Besonders frustrierend für die Kunden ist dabei, dass Sie aufgrund des natürlichen Monopols des Fernwärmenetzbetreibers keine Option für einen Wechsel des Wärmeversorgers haben. Und auch die Umstellung der Fernwärme von vornehmlich fossilen auf erneuerbare Energieträger stockt. Doch woran liegt das?
Bezüglich des Aspekts hoher Wärmekosten aus Wärmenetzen schlagen die Autoren des Papers vor, den Wärmenetzbetrieb gemeinnützig, genossenschaftlich oder kommunal zu organisieren. Auch Auswertungen der Dänischen Energieagentur legen nahe, dass private und gewinnorientierte Unternehmen deutlich höhere Preise für Fernwärme abrufen, als gemeinnützige Wärmeversorger.
Bezüglich der Umstellung bestehender Wärmenetze auf erneuerbare Energieträger können die Autoren leider mit keiner (einfachen) Lösung aufwarten. Sie konstatieren lediglich, dass der Umbau bestehender Wärmenetze mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Ein Ergebnis, was durchaus aufhorchen lässt, wenn man sich vor Augen führt, welche zentrale Rolle Wärmenetzen in der Wärmewende und in der Kommunalen Wärmeplanung zugesprochen wird. Auch daher erscheint es sinnvoll, sich die Technologie „Wärmenetz" einmal etwas genauer anzuschauen und zu klären, wo die Probleme liegen. Erfahrungen aus Dänemark, dem „Musterland der Wärmenetze", als auch aus städtischen Fernwärmenetzen in Deutschland können hier hilfreich sein.
Grundsätzlich ist festzuhalten: Ein Wärmenetz ist ein Leitungsnetz das Wasser oder heißen Dampf von einer Wärmequelle zu den Abnehmern (Wärmesenken) bringt. Dementsprechend ist ein Wärmenetz also keine nachhaltige Wärmequelle, sondern lediglich eine Art Werkzeug zur Wärmelieferung!
Abhängig davon, bei welcher Temperatur Wärmenetze betrieben werden, kommen unterschiedliche nachhaltige Wärmequellen zur Wärmeversorgung in Frage. Wichtig: Je geringer die Temperatur im Wärmenetz, desto breiter die Palette effizient einsetzbarer nachhaltiger Wärmequellen! Netztemperaturen unter 60°C (kalte Wärmenetze und Niedertemperaturnetze) sind daher aus Sicht der Wärmewende optimal, umhier maximal flexibel zu bleiben (siehe Agora Energiewende, S. 5). Grundsätzlich wird daher in Bestandsnetzen langfristig eine Temperaturabsenkung angestrebt.
Neben Anpassungen im Wärmenetz selbst (z.B. durch die Einbindung dezentraler Wärmequellen und/ oder die hydraulische Entkopplung einzelner Netzteile) ist vor allem die Absenkung der Wärmebedarfe und die Absenkung der Bezugsleistungen angeschlossener Kunden anzustreben. Hierbei kann die Kommunale Wärmeplanung einen wertvollen Beitrag leisten.
In der Kommunalen Wärmeplanung werden potenzielle Eignungsbereiche für Wärmenetze – und im Umkehrschluss auch für eine gebäudeindividuelle Wärmeversorgung – identifiziert. Grundlage sind Bestands- und Potenzialanalysen, aus denen der langfristige Wärmebedarf im Gemeindegebiet räumlich aufgelöst hervorgeht. Auf dieser Basis werden Berechnungen für eine zunehmend treibhausgas-neutrale Wärmeversorgung (Zielszenario) durchgeführt. So können durch die Kommunalpolitik Maßnahmen für die Umsetzung der Wärmewende vor Ort benannt, gezielt vorbereitet und angestoßen werden! Weiterführende Informationen zu den Inhalten und Verpflichtungen der Kommunalen Wärmeplanung finden Sie in unserer neuen Video-Vortragsreihe.
Gegenstand der Umsetzungsplanungen sind oftmals energetische Quartierskonzepte. In diesen wird untersucht, welche verschiedenen Optionen für eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung bestehen. Mit Blick auf das vorliegende Paper sind dabei nachfolgende Leitfragen im Rahmen kommunaler Wärmeplanungen zu klären:
1. Aus welchen Wärmequellen, insbesondere aus welchen Niedertemperaturwärmequellen, soll die Wärmeversorgung erfolgen?
2. Ist die Verfügbarkeit der Wärmequellen auch langfristig gegeben oder bestehen absehbare Nutzungskonkurrenzen zu anderen Anwendungen (Industrie, Verkehr)?
3. Bieten Wärmenetze (langfristig ökologische und ökonomische) Vorteile gegenüber gebäude-individuellen Versorgungen?
4. Wie kann der Neubau, bzw. die Transformation von Fernwärmenetzen durch kommunale Aktivitäten unterstützt werden?
Konkrete Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung von Umsetzungsplanungen gibt es in Niedersachsen keine – und auch der Bund will hier (wohl) keine Vorgaben machen.
Anders in den Niederlanden. Hier sind grundsätzlich fünf verschiedene Dekarbonisierungspfade zu untersuchen: (i) Wärmenetze mit mittlerer oder hoher Temperatur sowie (ii) Wärmenetze mit niedriger Temperatur werden dabei Lösungen mit (iii) dezentralen elektrischen Wärmepumpen gegenübergestellt. Konzepte auf Basis von (iv) Biogas und (v) (grünem) Wasserstoff sind grundsätzlich ebenfalls zu betrachten, unterliegen jedoch starken Restriktionen .
In den Niederlanden werden Wärmenetze...
... dezentralen elektrischen Wärmepumpen gegenübergestellt
Insbesondere die langfristige Verfügbarkeit nachhaltiger Wärmequellen ist ein wichtiger Aspekt für kommunalpolitische Weichenstellungen in der Wärmewende. Auch daher unterliegt der Einsatz von Biomasse und grünen Wasserstoffs in den Niederlanden von vornherein strengen Restriktionen. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass Biomasse, biogene Brennstoffe und grüner Wasserstoff – aber auch Müll (Stichwort Kreislaufwirtschaft) – wohl nur begrenzt verfügbar sind, bzw. in anderen Sektoren verstärkt benötigt werden (Industrie, Verkehr); s. hierzu auch das BMWK-Eckpunktepapier zur Biomassenutzung.
Dieser Aspekt kommt bislang in bestehenden Leitfäden zur Kommunalen Wärmeplanung nicht bzw. nur am Rande vor (auch der Leitfaden der KEAN wird in dieser Hinsicht angepasst).
Daraus folgt auch, dass bisherige Grenzwerte für die Wärmenetzeignung unbedingt kritisch zu hinterfragen sind. Insbesondere Grenzwerte für hoch- und niedertemperierte Wärmenetze sind hier kritisch. Diese Grenzwerte basieren nämlich auf der (fast uneingeschränkten und vor allem billigen) Verfügbarkeit von Brennstoffen, die zukünftig nicht mehr gegeben ist. Daher sollte man sich in der Kommunalen Wärmeplanung nicht zu früh auf eine bestimmte Wärmenetztemperatur festlegen.
Folgerichtig ist daher auch, dass beim Neu- und Ausbau von Wärmenetzen von vornherein der Betrieb dieser Netze/ Netzteile mit (möglichst) niedrigen Temperaturniveaus vorgesehen wird. Dies hat auch die Klimaschutzagentur Baden-Württemberg erkannt, als sie Erfahrungen aus Dänemark mit der Kommunalen Wärmeplanung zusammengefasst hat.
Auf dieser Basis kann die Kommune dann guten Gewissens Vorranggebiete für den Ausbau von Wärmenetzen ausweisen und einen Anschluss- und Benutzungszwang verhängen.
Dr. Georg K. Schuchardt
0511 89 70 39-26
georgkonrad.schuchardt [at] klimaschutz-niedersachsen.de
Patrick Nestler
0511 89 70 39-27
patrick.nestler [at] klimaschutz-niedersachsen.de