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Transformationspläne sollen Unternehmen bei der Planung und Umsetzung hin zur Treibhausgasneutralität unterstützen. Hierfür werden detaillierte Schritte festgelegt, wie ein Unternehmen seine Energieströme dekarbonisieren kann. Wie Transformationspläne den Weg in Richtung klimafreundlicher Produktion ebnen können, weiß Bernd Lohse aus Winsen an der Luhe, der einen Transformationsplan für eine Molkerei erstellt hat.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert im Modul 5 der „Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW)" die Erstellung von Transformationsplänen mit max. 60.000 Euro je Vorhaben. Je nach Unternehmensgröße beträgt die Förderhöhe 40 bis 60 Prozent. Ein Transformationsplan muss dabei folgende Bestandteile aufweisen:
Die Ist-Analyse
Im Rahmen der Ist-Analyse nahm Bernd Lohse, Gründer und Inhaber des gleichnamigen Ingenieurbüros (IBBL), in der Molkerei zunächst die jährliche Gesamtproduktionsmenge in den Blick – die mit rund 100.000 Tonnen weit unter den möglichen Kapazitäten liegt. Die Laufzeiten von vielen Maschinen liegen unterhalb von 1.000 Betriebsstunden, was zu hohen Standby- und Bereitstellungsverlusten führt. Zudem hält die Molkerei ein umfangreiches Produktangebot bereit, wodurch tendenziell mehrere kleinere Anlagen zum Einsatz kommen, die nicht im Optimum betrieben werden. Die Regressionsanalyse von Bernd Lohse zeigte daher nur geringe Zusammenhänge zwischen den Energieverbräuchen und der Absatzmenge.
So gelingt die Umsetzung in der Praxis
Wie sich unter diesen Voraussetzungen große Effizienzpotenziale heben lassen, zeigt der Transformationsplan. Dieser soll dazu beitragen, dass die Molkerei spätestens bis zum Jahr 2045 klimaneutral produziert. In einer ersten Stufe wird bis zum Jahr 2032 eine Verminderung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent angestrebt. Das Reduktionsziel bezieht sich dabei auf das Basisjahr 2021, in dem die CO2-Emissionen bei rund 185 Kilogramm CO2 pro Tonne Fertigprodukt lagen.
Kernelement des Energiekonzepts ist ein Maßnahmenplan, der ausgehend vom Ist-Zustand insgesamt 18 Maßnahmen definiert, die durch Bernd Lohse priorisiert wurden. Für die Molkerei dient der aufgestellte Maßnahmenkatalog als Basis für die jährlichen Investitionsplanung. Eine zentrale Maßnahme auf dem Weg zur Klimaneutralität liegt – wo immer dies möglich ist – in der Elektrifizierung von Produktionsanlagen und Prozessen.
Durch die Elektrifizierung kann der Einsatz von erneuerbaren Energien vorangetrieben und CO2-Emissionen gespart werden. Neben der Erdgasversorgung betrifft dies in der Molkerei auch die Mobilität. Beide Bereiche sind in dem Unternehmen elektrisch abbildbar – z. B. durch die Erzeugung von Wärme mit Wärmepumpen oder Elektrodenkesseln für Dampf und Heißwasser. In der Intralogistik soll die E-Mobilität zum Einsatz kommen.
Wenngleich der Plan laut Lohse insbesondere die Optimierung bestehender Anlagen vorsieht, ist in wenigen Fällen auch die Installation von Neuanlagen vorgesehen. Ein Beispiel ist der mit Direktdampf betriebene Dessert-Pudding-Erhitzer, der mit rund 2.300 Betriebsstunden eine der am häufigsten genutzten Anlagen in der Molkerei ist. Da der Wärmerückgewinnungsgrad bei dieser Anlage nur bei rund 25 Prozent liegt, gehört sie zu den Anlagen mit der schlechtesten Effizienz, weshalb in diesem Fall ein Austausch sinnvoll ist. So lässt sich mit einer modernen Erhitzungsanlage ein Rückgewinnungsgrad von mehr als 75 Prozent realisieren – verbunden mit Einsparungen von 200 Tonnen CO2 pro Jahr.
Nutzung von Abwärme: Die Wärmeschaukel
Ein starker Fokus des Transformationsplans liegt auf der besseren Nutzung von Abwärme. Im Zentrum steht hierbei die sogenannte „Wärmeschaukel“, die Wärmequellen und Wärmesenken intelligent miteinander verknüpfen soll. Das grundlegende Ziel dahinter: Die nach den Optimierungsmaßnahmen verbliebene Abwärme soll in Puffertanks gespeichert werden, um sie für andere Prozesse nutzbar zu machen. Hierbei sollen auch Wärmepumpen zum Einsatz kommen, um das Temperaturniveau weiter zu erhöhen. Hierdurch kann die Effizienz des Gesamtsystems deutlich verbessert werden und Abwärme auch für andere Prozesse wie die Reinigung und die Joghurtherstellung genutzt werden.
Laut Berechnungen des Ingenieurbüros IBBL spart die Molkerei bei Umsetzung der ersten Ausbaustufe der Wärmeschaukel pro Jahr ein Dampfäquivalent von fast zwei Millionen kWh – was im Ergebnis den Erdgasverbrauch um rund 2,3 Millionen kWh und die CO2-Emissionen um rund 433 Tonnen reduziert. Bei Umsetzung aller drei Stufen (s. u.) der Wärmeschaukel können gar nahezu 800 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr eingespart werden.
Stufe 1: Die Puffertanks mit Wasser speichern Abwärme in unterschiedlichen Temperaturbereichen bis zu einem Temperaturniveau von 90°C. Wärmequellen werden an die Tanks angeschlossen, wobei die höheren Temperaturniveaus bevorzugt genutzt werden, um die Abwärme direkt in passende Prozesse einzuspeisen.
Stufe 2: Wärmepumpen und ein zusätzlicher Tank erhöhen die Temperatur von Wärmequellen niedriger Temperatur auf 90°C. Dieser Schritt erreicht einen COP von 3,0, was die Energieeffizienz durch die Bereitstellung von dreimal mehr Wärmeenergie als aufgewendeter Energie verbessert.
Stufe 3: Weitere Wärmesenken, die über 90°C benötigen, werden durch "Boosting" der Abwärme auf 95°C erschlossen. Dies steigert die Effizienz für Prozesse wie Reinigung und Joghurtherstellung. Das Wärmepumpensystem erreicht dann einen COP von 2,7. Die CO2-Emissionen sinken bei Bezug von Netzstrom um 106 Tonnen pro Jahr, was die Umweltbelastung signifikant verringert.
Erneuerbare Energien ausbauen
Mit der Optimierung von Anlagen und der effizienten Nutzung von Abwärme wurden im Rahmen des Transformationsplans zwei wichtige Bereiche für die erfolgreiche Transformation in der Molkerei ausgemacht. Der Einsatz von Erneuerbaren stellt eine weitere zentrale Maßnahme dar – weshalb auch im Fall der Molkerei der Einsatz einer Photovoltaikanlage vorgesehen ist. In einem ersten Schritt soll der Grundlastbedarf an Strom gedeckt werden – bei einer 1.000 kWp Anlage ergibt sich laut Berechnungen von Bernd Lohse ein theoretischer Ertrag von rund 1,05 Millionen kWh pro Jahr. Bei einer erwarteten Eigenverbrauchsquote oberhalb von 95 Prozent kann eine Einsparung von 997.500 kWh im Betrieb angesetzt werden. Hierdurch ergibt sich eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um rund 417 Tonnen CO2 pro Jahr.
In einem Szenarium wurde zudem berechnet, dass der Grundlastverbrauch an Erdgas durch eine weitere Erhöhung der Peak-Leistung der Photovoltaikanlage substituiert werden könnte. So ließe sich etwa der selbst erzeugte PV-Strom zur Versorgung eines Elektrodenheizkessels und der Wärmepumpen aus der Wärmeschaukel einsetzen. In diesem Fall beträgt die zu installierende PV-Leistung 3.120 kWp. Durch diesen Vollausbau könnte eine Treibhausgasminderung von rund 1.013 Tonnen CO2 für den Standort erreicht werden.
(Grüner) Wasserstoff als Alternative?
Viele Unternehmen fragen sich, ob auch der Einsatz von grünem Wasserstoff eine mögliche Alternative zur Dekarbonisierung darstellt. Auch in der Molkerei wurde dessen Einsatz geprüft. Eine vollständige Umstellung auf grünen Wasserstoff ist grundsätzlich zwar möglich, aus Gründen der Verfügbarkeit und des schwer abschätzbaren Preisniveaus scheint dies jedoch bis 2032 nicht erreichbar zu sein. Die Installation einer Brennstoffzelle zur Wiederverstromung von Wasserstoff wäre demnach nur möglich, wenn neue Versorgungsleitungen gebaut werden oder die Anlieferung per LKW stattfindet. Hieraus folgt jedoch ein hoher Investitionsbedarf, der den Umstieg auf Wasserstoff erschwert.
Transformationsplan soll zu Einsparungen führen
Im Vergleich zum Basisjahr 2021 sollen die verschiedenen im Transformationsplan definierten Maßnahmen bis 2032 zu einer Reduktion der CO2-Emissionen um 4.718 Tonnen führen. Ausgehend von 11.724 Tonnen CO2-Emissionen im Jahr 2021 entspricht dies mehr als den vom BMWK (im Rahmen der EEW-Förderung) geforderten 40 Prozent CO2-Einsparung. Die mit den verschiedenen Maßnahmen einhergehenden Kostenersparnisse sind dabei immens: Wenn die Energiekosten des Jahres 2021 als Grundlage herangezogen werden, drückt die Umsetzung aller Maßnahmen des Transformationsplans die Herstellungskosten pro Kilogramm Produkt um mehr als drei Cent. Bei der Gesamtproduktionsmenge von knapp 100.000 Tonnen in der Molkerei entspricht das eingesparten Kosten in Höhe von 3 Millionen Euro.
Die Verantwortlichen der Molkerei zeigten sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden: Laut Bernd Lohse waren sie insbesondere davon überrascht, dass durch interne Maßnahmen wie die Vermeidung und die Wiederverwendung von Energie ein derartig großes Potenzial gehoben werden kann.
Ann Kruse
0511 89 70 39-41
ann.kruse [at] klimaschutz-niedersachsen.de